: Elite erneuert Protestkultur
Streikseminare an der Uni, Lehrveranstaltungen in der Kölner Innenstadt – die erste Streikwoche geht dem Ende zu. Nächste Woche wollen die Studis Bündnispartner in anderen Städten mobilisieren
Von CHRISTIAN STEIGELS
Der Professor wischt sich den Schweiß von der Stirn, die Studenten kneifen wegen des Sonnenlichts die Augen zu, um etwas auf der Tafel erkennen zu können. Open-Air-Seminar vor dem Philosophikum der Kölner Uni. Das Streikseminar zur geplanten Einführung der „Bachelor“ und „Master“-Studiengänge findet nicht in fensterlosen Räumen statt, sondern mitten auf dem Platz vor der Philosophischen Fakultät. Es herrscht Ausnahmezustand an der Kölner Universität.
Auch an der Heilpädagogischen Fakultät gibt es Abweichungen vom Lehrplan. Eine Gruppe von Studierenden macht sich auf zur Schildergasse, um unter dem Motto „Betteln fürs Studium“ gegen die Bildungsreform zu protestieren. Und das Einführungsseminar in Anglo-Amerikanischer Geschichte findet heute vor dem Museum Ludwig in der City statt.
Die erste Streikwoche geht ihrem Ende entgegen. Hört man sich an der Philosophischen Fakultät um, geht es erst richtig los. „Wir müssen den Streik ausweiten und Bündnispartner mobilisieren“, sagt Markus Struben, einer von zwei studentischen Vertretern im Senat der Kölner Uni.
Mit Bündnispartnern meint er vor allem andere Hochschulen in NRW. Bislang ist die Kölner Uni die einzige, an der Studenten in den Ausstand getreten sind. Und in der Tat scheint es, als könnten andere dem Kölner Vorbild folgen. An der Bochumer Ruhr-Uni laufen laut Struben bereits Streikplanungen, in Essen findet am nächsten Donnerstag eine Demo gegen Studiengebühren statt. Auch aus Bonn wurde schon Solidarität zugesichert. „Neben anderen Unis sind uns aber auch SchülerInnen wichtig, denn die sind noch mehr von den Reformen betroffen“, sagt Struben. Die Gewerkschaften haben gestern bereits ihre Unterstützung zugesagt.
Auch von der eigenen Hochschule hatte man sich Unterstützung erhofft, doch die Stellungnahme von Uni-Rektor Axel Freimuth war kurz aber eindeutig. „Ich unterstütze diese Proteste nicht“, hatte er am Mittwoch bei der Vollversammlung verkündet und lediglich angeboten, im Senat darüber zu diskutieren. „Schaumschlägerei“ nennt Markus Struben derlei Offerten. Es seien in der Vergangenheit mehrfach Angebote zum Dialog abgelehnt worden, eine solche Aussage in der jetzigen Situation sei scheinheilig, findet er.
Also wird weiter gemacht, auch ohne offizielle Unterstützung der Unileitung. Es gehe nicht nur um Studiengebühren, es gehe um die allgemeine Richtung der Hochschulpolitik und um studentisches Engagement. „Die Protestkultur darf nicht verloren gehen“, sagt Studentenvertreter Markus Struben. Schaut man sich das rege Treiben der verschiedenen Aktionsgruppen auf dem Albertus-Magnus-Platz an, muss er sich zumindest hier keine Sorgen machen.