Letzter Gegen-CSD
Die Pressemitteilung fiel dürr aus – aber prägnant: Der „transgeniale CSD“, jener demonstrative Gegenentwurf zur Christopher-Street-Day-Parade, die sich durch Berlins Innenstadt bis zur Siegessäule bewegt, wird dieses Jahr letztmals stattfinden. Nicht deshalb, weil man in den diversesten antiimperialistischen, anti-Empire-haften oder sonst wie autonomen Initiativen mit homosexuellem Einschlag eingesehen hat, dass der klassische CSD doch allen Plattform biete, eine jedenfalls, die man nur nutzen müsse. Vielmehr heißt es lapidar, die Organisatoren könnten nicht mehr „auffangen, dass immer mehr Menschen den Schwerpunkt darauf legen müssen, dem Geld hinterherzujagen, und keine Zeit mehr finden, sich für so ein wundervolles Projekt wie den transgenialen CSD zu organisieren“. Eine bizarre, aber ehrliche Begründung. Kritisierte man den gewöhnlichen CSD für seinen Kommerzialismus und Professionalismus – Zusammenarbeit mit Sponsoren, Entlohnung der HelferInnen und OrganisatorInnen –, fallen den Kreuzberg-Neuköllner Aufrechten vom alternativen CSD die Argumente nun auf die wunden Demofüße: Umsonst wollte offenbar niemand organisieren – denn bezahlt wurde man ja über staatliche Transferleistungen. Wo der Unterschied zwischen jenen und ordinärem Geld aus nichtstaatlichen Quellen liegt, wird ausgeblendet. Faktisch, was die Organisationsleistung angeht, gibt es ja keinen: Möglicherweise glaubten sie, dass ihnen Staatsknete als Mindestalmosen zustehe – ohne Gegenleistung. Und wenn, dann eine selbst gewählte: Nämlich, eben, über die Organisation des so genannt transgenialen CSD.
Vielleicht sind die autonomen CSD-Probleme auch viel profaner: So recht homosexuell inspiriert war der Umzug durch die parallelgesellschaftlich bevölkerten Gegenden Berlins ohnehin nicht. Das Politische spielte sich beim CSD an der Siegessäule ab – als Klaus Wowereit eine wütende Solidaritätsadresse an die Warschauer CSD-Männer und -Frauen verlas, gegen den katholoiden Mob Polens. Ohnehin litten die Transgenialisten an sich und mit Gruppen, die Israel zugetan sind: Man schwor eher, schwerer Glaubwürdigkeitsfehler, auf die Liebe zu Palästina. Ausgerechnet werden Homosexuelle dort so verfolgt wie überall in der arabischen Welt: drakonisch, tödlich. Der alternative CSD möge leben: Bunt ist die Farbe des Transgenialen. Und nächstes Jahr den echten CSD bereichern! JAF