: „Einfach ein Jahr lang in der Luft hängen“
Elisabeth Schroedter, EU-Abgeordnete der Grünen, befürchtet das Aus für einige EU-finanzierte Berliner Projekte. Weil die Brüsseler Haushaltsplanungen scheiterten, könnte es in den Kiezen nun zum finanziellen Engpass kommen
taz: Frau Schroedter, die Haushaltsplanungen der Europäischen Union für den Zeitraum von 2007 bis 2013 sind gescheitert. Was bedeutet das für die Projekte in Berlin?
Elisabeth Schroedter: Es wird ziemlich sicher ein Förderloch geben, und zwar 2008. Das heißt: ein Jahr lang keine Zuschüsse für die Programme für Berufsrückkehrerinnen, für Migrantinnen, für Langzeitarbeitslose, für Jugendliche. Auch langfristige Projekte zu Fragen der sozialen Stadt etwa werden einfach ein Jahr lang in der Luft hängen und nicht wissen, wie es weitergeht.
Warum eigentlich?
Die jetzige Finanzperiode geht bis Ende 2006. Bis dahin gibt es Geld. Nach den Finanzregeln der EU kann das Geld, das bis Ende 2006 gebunden ist, noch ein Jahr lang, also 2007, ausgegeben werden. Neues Geld aber kann es erst geben, wenn die EU für die Zeit ab 2007 neue Förderpläne genehmigt hat, die es nun durch die Verzögerung der Grundentscheidung noch nicht gibt.
Wann rechnen Sie mit einer Grundsatzentscheidung?
Erst mit der österreichischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006.
Und die Zeit bis Ende 2007, wenn kein bisher beantragtes Geld mehr gezahlt wird, reicht dann nicht mehr aus, um die neuen Förderprogramme direkt im Anschluss aufzulegen?
Schwierig. Die Gefahr besteht, dass das Prozedere nur beschleunigt werden kann auf Kosten der Mitbestimmung der Basis.
Was heißt das?
Das bisheriges Prozedere ging so: Lokale und regionale Gruppen entwickeln die Ideen. Diese müssen auf Landesebene als Siebenjahresprogramme zusammengestellt werden. Die Landesebene muss die regionale und lokale Ebene, aber auch die Sozialpartner wie Gewerkschaften, Verbände und Handelskammern sowie die Umwelt-NGOs und die Repräsentantinnen von Frauenorganisation einbeziehen.
So etwas geht dann offenbar nicht mal hopplahopp?
Diese Siebenjahresprogramme müssen bei der Europäischen Union in Brüssel eingereicht werden. Um diese Programme zu erstellen, braucht die Landesebene, wenn sie sehr zügig arbeitet, mindestens ein Jahr. Für den Genehmigungsprozess braucht die EU-Kommission dann mindestens auch ein halbes bis drei viertel Jahr.
Schneller geht das nicht?
Partizipationsprozesse brauchen ihre Zeit. Schneller geht es nur, wenn die Landesregierung von sich aus entscheidet und Programme zusammenschustert, ohne die Willensbildung auf lokaler Ebene mit einzubeziehen. Dagegen bin ich strikt.
Warum?
Programme, die von oben nach unten ausgedacht werden, sind erfahrungsgemäß nicht so wirkungsvoll, wie wenn die Basis ausarbeitet, was notwendig ist. Außerdem weiß man ja auch auf Landesebene jetzt noch nicht, wie viel Geld zur Verfügung steht und was ab 2007 als förderungswürdig gilt. Man weiß also nicht, welche Regionen, welche thematischen Schwerpunkte, welche Art von Projekten für die Förderung vorgesehen und welche Kooperationspartner dazu notwendig sind.
Die Verantwortlichen auf Landesebene müssen ihre Programme demnach, um Zeit zu gewinnen, unter Zuhilfenahme hellseherischer Fähigkeiten entwickeln?
Gerade in Bezug auf Berlin ist die Vorausschau schwierig, weil die Rahmenbedingungen der Förderung von Berlin völlig neu gestaltet werden. Natürlich kann man einiges annehmen, aber den Initiativen werden sie keine Zusagen machen können. Die Initiativen haben keine Planungssicherheit, und für einige könnte es das sichere Aus bedeuten.
INTERVIEW: W. SCHWAB