LESERINNENBRIEFE :
Entmischtes Schulsystem
■ betr.: „Die neue Elite“, taz vom 24. 5. 12
„Damit Stadtteilschulen gut arbeiten können, brauchen sie eine gute Mischung.“ Diese Aussage trifft den zentralen Kern des Problems jeder „ent-mischenden“ Schulform, des ganzen entmischenden, selektiven Schulsystems, das euphemistisch gerne als „gegliedertes“ Schulsystem bezeichnet wird. Je weiter „unten“ der Schultyp, auf dem das Kind landet, um so schädlicher für die Entwicklung der Kinder dort. Besonders fatal ist das an den Sonderschulen, an denen die SchülerInnen überhaupt keine allgemeinen Schulabschlüsse erreichen. Man stelle sich nur mal die dortige „entmischte“ Gruppe an Kindern vor und welche Entwicklungsanreize sie sich gegenseitig geben können. Auch wenn wir daran gewöhnt sind, es ist eine strukturelle Menschenrechtsverletzung. MAGDALENA FEDERLIN, Aichach
Widerstand kein Schulfach
■ betr.: „Kopf oben, Bahnhof unten“, taz vom 23. 5. 12
Wenn einer wegen Stauunlust bei Montagsdemos mit Nein gestimmt hat, der hat doch nicht gleichzeitig Lust auf jahrelange Ganztagsstaus wegen S-21-Bauarbeiten. Diese Mehrheiten existieren nun wirklich nicht. Selbstmythologisierung als Erklärung für den bisherigen Misserfolg des Widerstands zieht auch nicht. Der Rückgriff auf extraterrestrische Kräfte stammt vom grünen MP Kretschmann („Jetzt hilft nur noch ein Wunder“), nicht vom Widerstand!
Das Angstgebaren von Politikern gleich welcher Couleur vor dem Scheinriesen Großindustrie, deren Profitstreben keine Rücksicht auf Sinngebung nimmt, reicht vollkommen, um das betrübliche Geschehen zu analysieren. Vom Widerstand gegen S 21, getragen von politischen Laien, waren keine Wunder zu erwarten: Schließlich war ja bisher „wirksamer Widerstand gegen kurzsichtige Politiker und engstirnige Industrielle“ kein Schulfach in Deutschland! Und wenn man schon von der „reinigenden Kraft der Selbstkritik“ schreibt, Herr OB, dann doch wohl von der bisher nicht erfüllten Hausaufgabe der Grünen: wie man nämlich wahren Umweltschutz und wahre Demokratie zusammenbringt. FRIEDERIKE M. PERL, Stuttgart
Welche Energiewende?
■ betr.: „Grüne Kuschelecke“, taz vom 24. 5. 12
Ihre Argumente überzeugen den Überzeugten, den anderen ist nicht zu helfen. Diese Überzeugungen aber müssen vertreten und die einmalig lockenden Perspektiven der Energiewende kommuniziert werden. Zur Situation jetzt genügt: die Bilanz seit Rio 1992 +36 Prozent CO2, und in Cancun 2010 wurden 2 Grad vereinbart, das entspricht –50 Prozent CO2 von 1990! Die Perspektive aller Prognosen, auch die der Bundesregierung vom 28. September 2010, zeigt, erneuerbarer Strom wird billiger als Strom aus fossilen Quellen. Deutschland hat die Fähigkeiten und die Mittel, das in 10 bis 15 Jahren zu beweisen (www.zsw-bw.de). Ist dieser Nachweis erbracht, wird die Energiewende global ein Selbstläufer. Kein Land kann uns die Kostenvorteile allein überlassen. Damit kann die große Transformation gestaltet werden – ökologische Städte, ökologische Landnutzung. Doch welche Energiewende? Die von Sparkassen und Volksbanken zu finanzierenden dezentralen, über das Land verteilten Anlagen oder zentrale Großanlagen, von Großbanken finanziert, die irreführend Parks genannt werden? HILDRUN WARZECHA, Wiesbaden
Blut am Sonntag, Griechenbashing
■ betr.: „Der milde Populist“, taz vom 22. 5. 12
Wenn man dieser Tage in Großbuchhandlungen kommt, schreitet man buchstäblich durch Berge von Sarrazins neuem Buch hindurch. Ich suchte ein anderes Buch zum Thema Euro, Griechenland und Krise, David Graebers „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“. Es war vergriffen, auch wenn es als eines der faszinierendsten, informativsten und spannendsten Bücher zum Thema gepriesen wurde (siehe FAS).
Der Verlag DVA will wohl Auflage machen, an den Erfolg des letzten Sarrazin anknüpfen, Blut am Sonntag, es verspricht Griechenbashing, den Armen, Faulen, anderen die Schuld(en) zuschieben. Und dann schlage ich meine taz auf und schaue wie auf eine ganzseitige Anzeige für das Buch. Weil es von Micha Brumlik geschrieben ist, einem meiner Lieblingsautoren, lese ich den Text, arbeite mich widerwillig durch schier endloses gängiges pseudowissenschaftliches und verschleierndes Finanzgeschwafel Sarrazins, von dem Brumlik aber offensichtlich fasziniert ist als „schlüssige“, „lebenslange Expertise“ „eines erfahrenen Wirtschafts- und Finanzpolitikers“. Nebbisch! Im letzten Fünftel versucht Brumlik dann doch aufzuklären und auf die Gefahr hinzuweisen, etwa wenn Sarrazin die „ethnische Mentalität als Ursache kapitalistischer Krisen“ benennt.
Schade. MALTE RAUCH, Frankfurt am Main
Mord in Pakistan
■ betr.: „Obama bestimmt Drohnenziele selbst“, taz vom 30. 5. 12
Mit unbemannten Flugzeugen, sogenannten Drohnen, jagen die USA in zunehmendem Maße mutmaßliche Terroristen. In Pakistan haben sie damit kürzlich in zwei Tagen 14 Menschen getötet. Pakistan protestiert zu Recht gegen diese Einsätze, und den Nato-Mitgliedern stünde das auch gut an, denn diese Angriffe sind durch nichts legitimiert. Was ist das überhaupt für eine Methode, mutmaßliche Terroristen einfach zu exekutieren? Sie einfach ohne Prozess zu töten, würde man im zivilen Leben und strafrechtlich wohl als Mord bezeichnen. JOACHIM FISCHER, Bremen