ZWISCHEN DEN RILLEN
: Er hat überlebt

Bobby Womack: „The Bravest Man in the Universe“ (XL/Beggars)

Eigentlich wäre Bobby Womack der ideale Kandidat für ein Alterscomeback unter der Regie von Rick Rubin, hat sich doch der US-Starproduzent darauf spezialisiert, vergessenen Veteranen zu einer späten Renaissance zu verhelfen. Bei Donovan klappte das mäßig, bei Neil Diamond ganz gut, im Fall von Johnny Cash kam ein stattliches Alterswerk zustande, dass dem ergrauten Man in Black völlig neue – junge! – Fans in die Arme trieb.

Rubins Methode: die sichere Vintage-Nummer. Den Sound auf die Knochen runtergestrippt, die gebrochene, vom Alter gezeichnete Stimme in Großaufnahme, hautnah mikrofoniert, dazu Songs zu den ewigen Fragen des Daseins. Je dichter einer vor dem eigenen Grab steht, desto mehr addieren sich Patina und Charisma zu einem wohligen Todesglamour, so das leicht nekrophile Rezept von Dr. Rubin.

Bei Bobby Womack hätte das Cash-mäßig funktionieren können, schließlich bringt der Amerikaner neben dem passenden Alter – 68 – jede Menge Patina und Charisma mit.

Mit seinen Brüdern singt der junge Bobby den Gospel, im Alter von 16 nimmt ihn der große Sam Cooke unter seine Fittiche und verhilft ihm zu ersten Hits. Einer davon ist „It’s all over now“, mitkomponiert vom 20-jährigen Bobby Womack. Im fernen England covert eine Beat-Band den Song, eine gängige Praxis damals, der weiße Markt will weiße Gesichter.

Der schwarze Womack ist sauer, der Schmerz lässt nach, als die Tantiemen kommen. „It’s all over now“ ist 1964 der Nummer-eins-Hit der Rolling Stones. Kurz darauf wird Womacks Mentor Cooke in einem Motel erschossen. Bobby kümmert sich um die Witwe, die wird nach drei Monaten Mrs. Womack. Es folgt eine kurvenreiche Karriere, ein paar Solohits, Sessions für Soul- und Rock-Größen, Aretha Franklin, Sly & The Family Stone, Janis Joplin.

1972 liefert Womack den Soundtrack zum Blaxploitation-Krimi „Across the 110th Street“. Dessen Titelsong recycelt Quentin Tarantino später für seine eigene Blaxploitation-Hommage „Jackie Brown“. Zwischendurch setzt sich Womack mit Cowboyhut aufs Pferd und nimmt ein steinerweichendes Country-(Soul)-Album auf. In den frühen Achtzigern lieben ihn soulvernarrte junge Briten der Generation ABC, Style Council & Co. für seine altersweise daherkommenden „The Poet“-Alben.

Ein Renaissance man des Soul, ein hypermännlicher Monolith von einer Stimme. In den Siebzigern findet Womack Geschmack am Kokain, erst Ende der Achtziger schafft er den Entzug, dafür fängt er sich Diabetes ein, Anfang 2012 erkrankt er an Krebs. Auch musikalisch geht’s bergab, 2000 verabschiedet er sich, ausgerechnet mit einem Weihnachtsalbum.

Den Umweg über England genommen

Ein Leben aus Dramen und Triumphen, wie gemalt für ein Comeback im Rubin-Rehab-Modus, vielleicht ein letztes? Nein, Womack ist nicht den kürzesten Weg gegangen, er hat den Umweg über England genommen. Und der hat sich gelohnt.

Damon Albarn hatte Womack schon für ein paar Gastspiele bei seinen Gorillaz gewonnen, jetzt hat er ihm gemeinsam mit Richard Russell „The Bravest Man in the Universe“, ein zeitgemäßes Soul-Album auf den Leib produziert. Und der Versuchung widerstanden, eine dufte Retro-Soul-Scheibe rauszuhauen, nach dem Mark Ronson/Amy Winehouse-Patent, der Markt gibt’s ja her.

Albarn und Russell laden ihre Freunde ein, das gibt Womacks Performance eine Jam-Note. Von weit her erhebt die leibhaftige Lana Del Rey ihre Stimme, Hype hin, Backlash her, das ist toll, King Kong und die weiße Frau. Selbst die Reißbrettidee, Gospel mit Gabba bekannt zu machen funktioniert.

Russell hatte sich für den Produzenten-Job mit „I’m new here“ empfohlen, dem letzten großen (Comeback-)Album des Rap-Pioniers Gil Scott-Heron. Den hört man hier noch mal als Gast aus dem Jenseits, er ist kurz nach „I’m new here“ gestorben. Daumen drücken für Bobby Womack. KLAUS WALTER