: Kein Vertrauen in die Vertrauensfrage
Der grüne Bundestagsabgeordnete Werner Schulz will gegen die geplante Neuwahl vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Verhilft da ein einsamer Mahner der Vernunft zum Durchbruch – oder treibt ein ewiger Querulant sein letztes Spiel?
aus Berlin KLAUS JANSEN
Scheitert Schröders Plan einer vorgezogenen Neuwahl an Werner Schulz? Der grüne Bundestagsabgeordnete will vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, weil er die angekündigte Vertrauensfrage für „gezinkt“ hält. „Schröder hat das Vertrauen der Koalition, auch wenn er etwas anderes vorspielt. Der einzig saubere Weg, die Regierung zu beenden, wäre ein Rücktritt von Schröder“, sagte Schulz der taz. Sollte Bundespräsident Horst Köhler nach einer Vertrauensfrage den Bundestag auf Wunsch des Kanzlers auflösen, sei das verfassungswidrig.
Werner Schulz, mal wieder. Der letzte grüne ostdeutsche Bürgerrechtler, Hartz-IV-Gegner, Fast-Fraktionsvorsitzende und Dauerkritiker der Parteispitze war erst am Wochenende im Kampf um einen aussichtsreichen Platz auf der Berliner Landesliste für die Neuwahl durchgefallen. Zieht nun ein Querulant zum Ende seiner Politikerkarriere ins letzte Gefecht?
„Mit meiner persönlichen Zukunft hat das nichts zu tun“, sagt Schulz. Vielmehr wolle er zeigen, dass man das „Grundgesetz nicht biegen und beugen kann, wie man will.“ Schulz hatte sich bereits wenige Tage nach Schröders einsamer Neuwahlentscheidung als erster rot-grüner Koalitionär offen gegen den Kanzler gestellt. Allein steht er mit seiner Skepsis nicht: Vielen rot-grünen Abgeordneten stößt der Schröder-Plan sauer auf. Sie sind für vier Jahre gewählt und sehen keinen Grund, ihr Mandat vorzeitig aufzugeben.
Den Mut, die Ablehnung des Verfahrens auch juristisch vorzubringen, hatte bislang jedoch niemand. Lediglich die fast vergessene Zentrumspartei strebt neben Schulz den Gang nach Karlsruhe an. Auch die grüne Parteispitze steht weiter loyal zu Schröder und ist von Schulz’ Vorstoß deshalb wenig begeistert. „Das ist etwas voreilig“, sagte die Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke der taz. Sie gehe davon aus, dass Kanzler und Bundespräsident den Weg zur Neuwahl schon selbst „juristisch sorgfältig prüfen“.
Genau das hatte Köhler am Dienstagabend nach einem Gespräch mit den Fraktionsspitzen von CDU, FDP und SPD versprochen. Allerdings machte der Präsident laut Bild-Zeitung ebenfalls deutlich, dass er den „Willen der Bevölkerung“ bei seiner Entscheidung berücksichtigen werde – eine Auslegung im Zweifel für die Neuwahl deutet sich an. „Von einem Wunsch der Bevölkerung steht nichts in der Verfassung“, beschwert sich Schulz.
Schulz ist binnen kurzer Zeit der zweite parlamentarische Rebell, der das Bundesverfassungsgericht anruft. CSU-Aufrührer Peter Gauweiler hatte erst vor einer Woche mit seiner Klage die Ratifizierung der EU-Verfassung durch den Bundestag verzögern können: Just Horst Köhler kündigte an, seine Unterschrift zurückzuhalten, bis Karlsruhe endgültig über die Klage des CSU-Abgeordneten entschieden hat. Ob Schulz ähnlichen Erfolg haben wird, ist zweifelhaft. „Die Klage gegen die Bundestagsauflösung hat keine aufschiebende Wirkung“, sagt der Staatsrechtler Michael Sachs von der Universität Köln. Wahrscheinlich falle das Urteil erst nach der Neuwahl.
Werner Schulz hofft darauf, dass allein die Ankündigung der Klage Wirkung zeigt. Der Rebell warnt den Präsidenten: „Wenn das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung im Nachhinein kippt, ist auch der Bundespräsident beschädigt.“