Viele Trauben machen Elite

Zehn Unis und noch mehr Netzwerke werden bald für exzellente Wissenschaft gefördert – wie von Edelgard Bulmahn geplant

VON CHRISTIAN FÜLLER

Vielleicht sagen sie ja doch noch Nein. Heute treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), unter anderem um den so lange umstrittenen Eliteuniversitäten ihr Plazet zu geben. „Da kann nichts mehr anbrennen“, heißt es beruhigend. Thomas Goppel (CSU), Bayerns Wissenschaftsminister, weiß: „Der Hessische Ministerpräsident will zustimmen.“

Oft genug haben sie sich geziert. Allen voran Hessens Roland Koch (CDU) torpedierte das Programm für Eliteuniversitäten der Bundesregierung. Zum dritten Mal schon steht der 1,9 Milliarden Euro teure Zuschuss für deutsche Spitzeninstitute auf der Agenda der Ministerpräsidenten. Erst im Frühjahr, als alle Risiken hinter den Kulissen ausgeräumt schienen, stellte Koch die Ampel erneut auf Rot.

Daraufhin brach in der deutschen Wissenschaft die große Depression aus. „Wir haben ja nichts anderes mehr gemacht, als Überzeugungsarbeit zu leisten“, seufzte Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, damals. Der oberste Deutsche Forscher fügte an, er wisse jetzt auch nicht mehr, wie es weitergehen soll. Nun aber soll es kommen, und die – so der offizielle Titel – „Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen“ wird eine Art Vermächtnis für Bildungsministerin Edelgard Bulmahn werden. Trotz ihres voraussichtlichen Amtsendes am 18. September wird man die Initiative der Einfachheit halber „Bulmahn-Programm“ nennen. Auch wenn das ihre Kollegen in den Ländern furchtbar ärgert. Gerade die Wissenschaftsminister der Union tun alles, um das Verdienst Bulmahns klein zu reden.

Bulmahn hat, trotz des nervösen Hin und Her, ihre Idee vom Januar 2004 beinahe unbeschadet durchgebracht. Ab kommendem Jahr werden sich deutsche Universitäten um einen Zuschuss von rund 140 Millionen Euro jährlich bewerben. Ganze zehn Unis werden den Elitezuschlag bekommen. Eine unabhängige Jury pickt anhand internationaler Maßstäbe die akademischen Eleven heraus. Sechs Jahre lang können die erwählten Unis dann versuchen, ihre besten Fachbereiche und Institute weltweit noch besser sichtbar zu machen. Das war im Kern das, was der Kanzler und Edelgard Bulmahn Anfang 2004 wollten.

Die Wissenschaftsminister geben das nicht gern zu. „Nein, nennen sie es nicht Eliteprogramm“, zögert einer von ihnen, „es ist eher ein elitäres Programm. Und es ist ja auch ganz anders als ursprünglich geplant.“ Tatsächlich sind Nuancierungen hinzugekommen. Neben den Eliteunis werden 40 Doktorschulen und 30 Exzellenz-Cluster gefördert. Die Graduiertenschulen sollen mit jährlich 40 Millionen Euro dafür sorgen, dass die nicht selten in ihren Studierstuben vereinsamenden Promovierenden von den Universitäten besser betreut werden. Und in den Clustern (wörtlich: Traube), so wünschen es sich die Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD, Rheinland-Pfalz) und Peter Frankenberg (CDU, Baden-Württemberg), soll die Spitzenforschung in und außerhalb der Hochschulen wieder näher zusammenrücken; dafür stehen 195 Millionen jährlich zur Verfügung. Häufig nämlich arbeiten die Edelforscher der Institute von Max Planck oder Fraunhofer unweit ihrer Kollegen an den Hochschulen am gleichen Problem – ohne gemeinsame Projekte zu finden.

Allerdings: Sowohl die Graduiertenkollegs als auch die Exzellenz-Cluster sind nicht neu. Bereits heute versuchen sich über 4.000 höhere Studierende den Doktorhut aufzusetzen – speziell betreut in 234 Doktorschulen. Und in fünf Forschungszentren und über 300 Sonderforschungsbereichen bilden Wissenschaftler schon Trauben.

Das eigentlich Neue ist, dass Universitäten als Ganzes gefördert werden können. Im Bulmahn-Programm darf das aber wortwörtlich so nicht mehr stehen. Inzwischen heißt es „Zukunftskonzepte zum projektbezogenen Aufbau der universitären Spitzenforschung“. In der vorletzten Fassung hieß es nicht „Zukunfts“-, sondern „Gesamtkonzepte“ – für Roland Koch Grund genug, auf den Tisch zu hauen und das ganze Projekt zu stoppen. Vorerst.

Geräuschlos werden die Bulmahn’schen Elitetrauben heute im Internationalen Konferenzsaal des Kanzleramts unterzeichnet. Die Stille dieser Zeremonie steht in krassem Widerspruch zu der Aufgeregtheit der Debatte in den vergangenen eineinhalb Jahren. Kaum hatte eine Zeitung aus den bei einer SPD-Klausursitzung vereinbarten Spitzenhochschulen kurz und bündig Eliteunis gemacht, entzündete sich eine beinahe hysterische Debatte nicht allein zwischen Bund und Ländern. Unionspolitiker meckerten, ausgerechnet die elitefeindliche SPD beanspruche den Begriff plötzlich für sich. Die Hochschulexperten hoben mahnend die Zeigefinger. Elite könne man nicht dekretieren, schon gar nicht politisch und von oben, sondern man müsse ihr Platz zur Entfaltung geben. Und die Feuilletons riefen die korrumpierten deutschen Eliten in den Zeugenstand. Dass es auch ganz schlicht um Geld für die mit 3 bis 4 Milliarden Euro unterfinanzierten Unis ging, war vergessen.

Die Diskussion wird schon morgen weiter gehen. Dann nämlich werden sich weitere Experten über die sieben Paragrafen der Vereinbarung gebeugt haben – und den eigentlichen Skandal entdecken. Weil der Bund nur 75 Prozent der 1,9 Milliarden Euro bezahlen darf, müssen die Länder jeweils 25 Prozent zuschießen, wollen auch sie eine der Elitetrauben bekommen. Nur: Längst nicht alle Länder werden sich das leisten können.

Die meisten Föderalisten wissen, dass nur reiche Länder mit diesem Finanzierungsmodell in der Lage sein werden, die Spitzenforschung in ihren Hochschulen weiter aufzupäppeln. Baden-Württemberg und Bayern – das dürften also bald die Standorte der Top-Unis sein. Weil nur sie die akademische Qualität und genug Geld haben für Elite.