Auf europäische Art

Im entscheidenden Spiel um den Titel in der amerikanischen Profiliga NBA besiegen die San Antonio Spurs die Detroit Pistons – den Amerikanern fehlt jedoch die Begeisterung für das Multikulti-Team

AUS NEW YORK SEBASTIAN MOLL

Die NBA-Meisterschaft ist im Prinzip nicht mehr und nicht weniger als die US-Meisterschaft im Profibasketball. Trotzdem wollte der höchste Funktionär des US-Verbandes, Commissioner David Stern, die Trophäe nicht an den neuen Champion San Antonio hergeben, ohne nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass es bei der Meisterschaft um mehr ging als nur darum, die besten amerikanischen Korbwerfer zu ermitteln. Die San Antonio Spurs, die im Entscheidungsspiel der Finalserie den Widersacher Detroit mit 81:74 niedergerungen hatten, so betonte Stern bei der Siegerehrung, sei das internationalste Team der Liga. Und diese Multikulti-Truppe mit dem Franzosen Tony Parker, dem Argentinier Manu Ginobili, den Slowenen Beno Udrih und Rasho Nesderovic sowie dem Kapitän Tim Duncan von der Karibikinsel St.Croix, habe den NBA-Fans auf der ganzen Welt gezeigt, wo die Trophäe hingehört.

Was Stern damit gemeint haben mag, blieb dabei ein wenig unklar. Denn sicher – einerseits hatten die Spurs in sieben zähen Spielen den Cup zum dritten Mal seit 1999 in die südtexanische Provinz geholt. Andererseits demonstrierte diese Finalserie, dass die NBA beleibe schon lange mehr ist, als ein nationales Unternehmen. So unamerikanisch die Spurs sind, so unamerikanisch ist die NBA geworden. In den USA krebsten die Zuschauerzahlen der Finalserie bei 10 Millionen herum. Weltweit schalteten sich jedoch an jedem Finalabend satte 100 Millionen ein. Die Liga, der Champion und die Trophäe gehören demnach ebenso sehr nach Texas wie nach São Paolo, Paris, Ljubliana oder Würzburg.

Stern brachte höflich, aber deutlich zum Ausdruck, dass das amerikanische Publikum ihm letztlich gestohlen bleiben kann. Das letzte Mal waren die NBA-Finals 1998 ein Gassenfeger, als Michael Jordan zum letzten Mal mit den Chicago Bulls den Titel holte. Damals schauten 29 Millionen zu. Im letzten Jahr waren es immerhin noch 15,7 Millionen, die sich die Auseinandersetzung der Hollywood-Lakers mit Shaquille O’Neal und Kobe Bryant gegen die Underdogs aus der Autostadt Detroit betrachteten.

Das Interesse oder Desinteresse der Amerikaner am Basketball hängt in erster Linie an glamourösen Stars. An solchen war in diesem Jahr die Finalserie jedoch eher arm. Der wertvollste Spieler des Finales (MVP), Tim Duncan, passt so gar nicht in das Schema des amerikanischen Sportstars. Er ist nicht übermäßig muskulös, er fällt weder durch Tatoos noch durch Piercings an diversen Körperteilen auf, er ist zurückhaltend und höflich, artikuliert vollständige, intelligente Sätze und mag keinen Rap. Als er im Konfettiregen im SBC Center von San Antonio den MVP-Pokal entgegen nahm, sagte er bescheiden, jeder Spieler seiner Mannschaft habe diese Trophäe verdient, und zählte sodann die Namen seiner Kollegen auf. Welch ein Kontrast zu den eitlen Hahnenkämpfen im vergangenen Jahr zwischen Shaq O’Neal und Kobe Bryant, die sich lieber einen Arm abgeschnitten hätten, als an ihrem Kollegen ein gutes Haar zu lassen. Shaq und Kobe brachten allerdings in den USA Quote. Der artige Duncan kann gegen Serien wie „Desparate Housewives“ hingegen nur wenig ausrichten.

Die Stars der Pistons erfüllen aus anderen Gründen die Gelüste der amerikanischen Promi-Kultur nicht. Der mächtige Ben Wallace mit seiner wilden Krause, der beinhart verteidigende Rasheed Wallace und der wie ein Maori tätowierte Chauncey Billups passen zum Image der Stadt, aus der ihre Mannschaft kommt. Die Pistons sind ein ungehobelter Proletenclub und noch weniger Mainstream-tauglich als die netten Spurs.

Zur mangelnden Zugkraft der diesjährigen NBA-Finalisten trägt zusätzlich bei, dass beide Mannschaften als Team auftraten. So wenig sie medientaugliche Stars hatten, so wenig war das System beider Mannschaften auf einzelne Spieler abgestellt. Meister San Antonio konnte es problemlos verkraften, dass die Abwehr aus Detroit phasenweise Tim Duncan kaltstellte. Für Duncan sprangen dann eben Ginobili, Parker und Robert Horry ein. Früher hätte man das als europäische Spielweise bezeichnet. Solche Unterscheidungen zwischen Europa und Amerika würde NBA-Chef Stern jedoch lieber nicht mehr treffen. Denn schließlich kommt seine Liga in Europa, Asien, Südamerika und anderswo mittlerweile besser an als daheim. Ob das Spiel den amerikanischen Durst nach egomanen Superstars stillt, kann ihm zunehmend wurscht sein.