DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Böse Tiere, böse Menschen
WAS SAGT UNS DAS? Eine Studie über das Sexverhalten der Pinguine verstaubte 97 Jahre im Archiv
Dass Tiere einen schlechten Einfluss auf Menschen haben, macht die Bibel gleich am Anfang klar: Die Schlange verführt Eva zur verbotenen Tat – und zur Erkenntnis. Um die Menschheit vor weiteren Verlockungen wie Erkenntnissen zu schützen, hat der Antarktisforscher George Murray Levic vor 97 Jahren seine eigene Studie über das Sexualverhalten von Pinguinen nicht veröffentlicht. Denn was Levic akribisch erforscht hatte, konnte er am Ende nicht mit seinem Moralgefühl vereinbaren.
Der Historiker Douglas Russell stieß nun in den Tiefen der Archive des britischen Natural History Museum wieder auf die Studie. Worüber Levic damals, in den noch viktorianisch prüden Anfängen des 20. Jahrhunderts, schwieg? Darüber, dass den Pinguinen an der Fortpflanzung allein nicht gelegen war: Die Tiere legten eindeutig pädophiles, homosexuelles, nekrophiles und autosexuelles Verhalten an den Tag. Und ist der Mensch nicht auch nur, na ja, vielleicht nicht ein Pinguin, aber doch auch nur ein Tier? Die Studie wäre eine Gefahr für die gesellschaftliche Sexualmoral gewesen. Es ist wohl die Angst vor dem Sündhaften, dem Bösen an sich. Immerhin: Die Pinguine hat der Biologe vor Schlimmerem bewahrt. Denn die Geschichte hat immer wieder gezeigt, was mit denen passiert, die nicht in eine Ideologie passen. Levic blendete einfach aus, was er für befremdlich hielt. Andere qualifizieren pauschal ab, was ihnen nicht zusagt: Der Jurist und Publizist Arnulf Baring nannte neulich bei Markus Lanz Oskar Lafontaine einen „bösen Menschen“. Eine Sichtweise, die nach wie vor keiner Erkenntnisfindung dient. KED