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Archiv-Artikel

Albig schafft’s im ersten Anlauf

RØD-GRØN Spannung vor der Wahl, Honig hinterher: Torsten Albig (SPD) ist neuer Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Beleidigte Piraten stimmten nur teilweise mit

Das Kabinett

■ Torsten Albig (SPD), 49, ist Ministerpräsident

■ Andreas Breitner (SPD), 45, ist Innenminister

■ Kristin Alheit (SPD), 44, ist Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung

■ Reinhard Meyer (SPD), 52, ist Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie

■ Waltraud Wende (parteilos), 54, ist Ministerin für Bildung und Wissenschaft

■ Robert Habeck (Grüne), 42, ist stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume

■ Monika Heinold (Grüne), 53, ist Finanzministerin

■ Anke Spoorendonk(SSW), 64, ist stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Justiz, Kultur und Europa

AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER

Stille herrschte im Plenarsaal des Kieler Landeshauses, während die 69 Abgeordneten nacheinander in den Raum hinter der Tribüne des Landtagspräsidiums gingen, um abzustimmen. Zwar stand mit Torsten Albig nur ein Kandidat zur Wahl, und das ihn unterstützende Bündnis aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei SSW verfügt über eine Mehrheit von einer Stimme. Aber in diesem Saal, teilweise mit den gleichen Akteuren, fand im Frühjahr 2005 ein Politdrama statt, als Heide Simonis bei der Wahl zur Ministerpräsidentin viermal scheiterte. Doch „Geschichte wiederholt sich nicht“ und „2012 ist nicht 2005“, wie es im Vorfeld immer wieder geheißen hatte: Im ersten Wahlgang entfielen 37 Stimmen auf Albig, 30 Abgeordnete stimmten gegen ihn, einer enthielt sich, eine Stimme war ungültig.

Kaum verkündete Landtagspräsident Klaus Schlie das Ergebnis, brach Jubel los: Die Abgeordneten der SPD standen auf und klatschten, die Bündnispartner gratulierten, die designierte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) nahm den neuen Ministerpräsidenten in den Arm. Der nutzte seine erste Rede im Landtag, um Gräben zuzuschütten: „Ich freue mich unbändig, mit Ihnen für unser Land arbeiten zu dürfen“, sagte er ans ganze Parlament gerichtet, bevor er sich an seinen Vorgänger Peter Harry Carstensen wandte: „Der politische Streit wird vergessen werden, Ihre historische Leistung nicht“, sagte er in Anspielung auf die Zeit der großen Koalition. Ein historisches Buch über Bienenzucht hatte der neue MP für den Ruheständler dabei, der Hobbyimker Carstensen revanchierte sich mit einem Glas Honig.

Für einen kleinen Stachel in der süßen Stimmung sorgten die Piraten: „Man fühlt sich nicht ernst genommen“, erklärte Fraktionsgeschäftsführer Torge Schmidt in der Landtagslobby. Die sechsköpfige Fraktion hatte am Vorabend ein Gespräch mit den Spitzen aller Regierungsfraktionen führen wollen, Anke Spoorendonk (SSW) und Robert Habeck (Grüne) hatten aber abgesagt. Weil der Termin sehr kurzfristig genannt worden sei, hieß es von den Grünen. Schmidt fand die Einladung rechtzeitig und die Absage unhöflich. Zumal Habeck wegen eines Pressetermins verhindert gewesen sein soll: Wegen eines Interviews mit der taz habe er gefehlt, berichtete die Die Welt. Tatsächlich saß Habeck mit einem Journalisten der Wochenzeitung Freitag zusammen – aber nur bis viertel vor acht. Der Termin bei den Piraten begann um acht. Trotz eines Mitgliedervotums der Piraten-Basis, für Albig zu stimmen, taten das offenbar nur einzelne Abgeordnete – wer, blieb geheim.

Auch seine Minister hat Albig bereits ernannt (siehe Kasten). Am heutigen Mittwoch wird das Kabinett vereidigt. Die SPD hat die Bereiche Inneres, Wirtschaft, Bildung und Soziales inne. Die Grünen besetzen das Ressort für Energie und Umwelt sowie das Finanzministerium. Erstmalig bundesweit regiert eine Minderheitenpartei mit.

Schwerpunkte der Koalition werden die Bildungspolitik und die Energiewende. Trotz Investitionen und der Rücknahme von Kürzungen haben die Parteien verabredet, die Schuldenbremse einzuhalten und den Haushalt zu konsolidieren.

Mitarbeit: dku