: Kein Sex aus Bremen
BILDUNG SchülerInnen erinnern daran, dass Bremen seit über sechs Jahren einen neuen Leitfaden zur Sexualerziehung verspricht. Die Bildungssenatorin verweist auf eine Materialsammlung des Bundes
Annegret Siebe, Pro Familia
Nach sechs Jahren gibt Bremen es auf, seinen eigenen Leitfaden zur Sexualerziehung aus dem Jahr 1987 zu überarbeiten.
2006 hatte der Senat angekündigt, diesen auf den neuesten Stand zu bringen – ohne Ergebnis. 2008 gab es einen weiteren Anlauf: Doch auch der neue Entwurf einer Arbeitsgruppe, an der das Gesundheitsamt, Pro Familia, das Rat und Tat Zentrum für Lesben und Schwule sowie Schattenriss, die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, beteiligt waren, wurde jetzt endgültig verworfen.
Es sei leider nicht gelungen, die hohen fachlichen Ansprüche so zu formulieren, dass sie auch für Laien gut zu verstehen gewesen wären, sagte gestern Michael Huesmann, Sprecher der Bildungssenatorin. Als Unterrichtsmaterial empfehle seine Behörde daher ab sofort eine auf neun Hefte ausgelegte Reihe zur Sexualaufklärung in der Schule der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA). Erschienen ist von denen allerdings bislang erst ein einziger Band, der sich ausdrücklich als „Steinbruch“ für die LehrerInnen versteht. Das Heft selber liefere nur „Grundlagen für Lernangebote“, präzisiert das Vorwort. Den „Rahmen für schulische Aktivitäten“ müssten die Bundesländer schon selbst vorgeben, in Form „von Schulgesetzen, Richtlinien und Handreichungen“ – wie einem Leitfaden zum Beispiel.
Zum Hintergrund: In den vergangenen zehn Jahren hatten Fachleute immer wieder den gültigen Leitfaden als überaltert kritisiert.
Diese Woche hatten ehemalige SchülerInnen des Schulzentrums Walliser Straße in einem offenen Brief die Bildungssenatorin aufgefordert, den Leitfaden wie von ihr vor drei Jahren angekündigt, neu herauszubringen. Diese Notwendigkeit hatte der Bremer Senat bereits im April 2006 eingeräumt. Aufgenommen werden müssten in das Papier die „Entwicklungen im Bereich der Geschlechterrollen sowie der Pluralisierung der Formen des Zusammenlebens, des Verhältnisses von Religionen und Sexualität sowie der Aidsvorsorge“, heißt es in einem Senatsschreiben.
„Seit 1987 hat es so viele Veränderungen in der Gesellschaft gegeben, die gehören da einfach hinein“, sagt Bernd Thiede vom Rat und Tat Zentrum. Damit meint er unter anderem das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 und die Tatsache, dass mittlerweile viele Schwule und Lesben mit ihren Kindern in Familien leben. Außerdem geht der Leitfaden davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt, während sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es viele Menschen gibt, die sich weder als Frau noch als Mann zuordnen lassen wollen.
Statt eigener jetzt lieber auf die BzGA-Broschüren zurückzugreifen, hält die Geschäftsführerin von Pro Familia, Annegret Siebe, für sinnvoll. Wichtig sei aber, den Lehrern und Lehrerinnen so konkrete Handreichungen wie möglich zu geben. „Das Thema Sexualität kommt im Studium viel zu kurz“, sagt Siebe. Und: Sexualaufklärung müsse mehr beinhalten als Informationen über Fortpflanzung und sexuelle Techniken. „Es geht auch um Beziehungen, um Familie“, findet Thiede vom Rat und Tat Zentrum. Insofern, sagen beide, müsste auch in anderen Fächern als Biologie darüber gesprochen werden. EIB/BES