: Gehört Elektroautos die Zukunft?JA
MOBILITÄT Bei der Internationalen Automobilausstellung stellen fast alle Hersteller Elektromodelle vor
Sigmar Gabriel, 50, ist Bundesumweltminis-ter und sitzt für die SPD im Bundestag
Der zusätzliche Energiebedarf durch Elektroautos ist gering. Eine Million E-Mobile hätten keine signifikante Auswirkung auf den Stromverbrauch. Da sie sehr leise sind und lokal keine Schadstoffe ausstoßen, eignen sie sich sehr gut für Innenstädte mit hoher Belastung durch Lärm und Abgase. Dies gilt besonders für die explodierenden Metropolen Asiens. Schon heute werden in China jährlich Millionen Elektroleichtfahrzeuge verkauft. Daher ist der Einstieg der deutschen und europäischen Autoindustrie in Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Elektrofahrzeugen eine große Chance zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Wir stellen bis 2011 fast 500 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Ab 2012 soll nach dem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität die Phase des Markthochlaufs beginnen; für 2020 ist unser Ziel, dass mindestens eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Ich setze mich für ein Marktanreizprogramm für 100.000 Elektroautos ein. Das würde ab 2013 den Durchbruch bringen.
Jutta Kleinschmidt, 47, Ralley-Fahrerin und Diplom-Ingenieurin, lebt in Monaco
Elektroautos werden künftig eine wichtige Rolle spielen – vor allem in Ballungsgebieten. Ich bin schon mal einen Elektrosportwagen von Venturi probegefahren. Der geht ganz schön ab. Man muss sich etwas umgewöhnen, weil er keine Geräusche macht. Aber vom Anziehen her sind Elektroautos sogar besser als Benziner. Kurz: Der Fahrspaß ist da. Es geht bei Elektroautos aber vor allem darum, Umweltverschmutzung einzudämmen. Die Ralley Dakar mit einem Elektroauto zu fahren, das wäre ein Traum für mich. Wenn ein Hersteller mir das anbieten würde, wäre ich sofort dabei. Ich bin überzeugt, dass der Motorsport hier Vorreiter sein muss.
Richard Waitz, 49, ist Leiter für Marktentwicklung beim norwegischen E-Autobauer Th!nk In wenigen Jahren werden hunderttausende Elektroautos herumfahren – und zwar sowohl Hybridautos als auch reine Elektrofahrzeuge. Ihre Fahrer werden eine Lade-Infrastruktur brauchen, die zu ihrem alltäglichen Leben passt. Partnerschaften zwischen der Autoindustrie und den Stromversorgern werden die Geschäftsstrukturen der Autobranche verändern und dem Markt neue Möglichkeiten eröffnen. Es ist sehr wichtig, Elektroautos mit groß angelegten Pilotprogrammen zu unterstützen – um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Staatliche Anreize zur Senkung der anfangs hohen Kosten für Batterien werden schnell den Weg für eine wachsende Zahl sauberer Autos auf den unseren Straßen ebnen. Für 2010 plant unsere Firma, 5.000 Autos zu produzieren, um die Regierung bei ihren europaweiten Demo-Projekten zu unterstützen.
Bernd Kalbermatten, 38, arbeitet für die Verwaltung des autofreien Ortes Saas-Fee
Bei uns ist die Zukunft seit fast 60 Jahren normal. Die Straße nach Saas-Fee, einem Ort in den Walliser Alpen in der Schweiz, wurde erst 1950 erbaut. Bei einer Volksabstimmung 1950 wurde einstimmig der Beschluss gefasst, dass Saas-Fee autofrei bleibt. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren kommen nur etwa als Ambulanz oder Feuerwehr ins Dorf. An der Dorfeinfahrt gibt es Parkplätze, weiter geht es nur zu Fuß oder mit speziellen Elektrofahrzeugen. Ihre Länge und Breite ist vorgeschrieben, es sind alles Prototypen, die nicht wie übliche Autos aussehen. Für den Besitz braucht man eine Genehmigung. Dass in Saas-Fee nur Elektrofahrzeuge fahren, empfinden wir als Plus: Es schafft entspannte Ferienatmosphäre mit romantischem Dorfcharakter. Es gibt weniger Lärm, die Luft ist besser und die Bewegungsfreiheit in den Straßen größer. Hier ist die Einstellung klar: Wir werden das nie ändern.
NEIN
Richard Mergner, 48, ist Verkehrspolitik-Sprecher vom Bund für Umwelt und Naturschutz
Die wichtigsten Schritte zur Verkehrspolitik der Zukunft sind Verkehrsvermeidung und die Verlagerung auf Bus, Bahn und Fahrrad. Doch es wird immer auch individuelle Automobilität geben. Elektrofahrzeuge sind nur dann für uns eine sinnvolle Zukunftsoption, wenn sie effizienter, kleiner und leichter werden und der Strom aus zusätzlicher erneuerbarer Energie kommt. Es besteht die Gefahr, dass das Elektroauto ein Atom- und Kohleauto wird – damit wäre nichts gewonnen. Drittens muss der öffentliche Verkehr Priorität haben. Elektromobilität hätte Potenzial – unter anderem auch als Netzpuffer in einer auf erneuerbaren Energien basierenden Stromerzeugung. Aber Elektrofahrzeuge dürften dann nicht die Zweit- oder Drittautos in den Städten werden, sondern müssten heutige ineffiziente Pkws ersetzen. Dieses Denken ist in der momentanen Debatte noch nicht zu erkennen.
Juri Horst, 33, Wissenschaftler am Institut für Zukunftsenergiesysteme in Saarbrücken
Elektromobilität im Individualverkehr wird in urbanen Ballungszentren sicherlich zur Minderung von Lärm und Abgas beitragen und verdient daher politische Unterstützung. Aber der Königsweg einer klimaverträglichen Verkehrsstrategie sind Elektroautos nicht: Selbst wenn das ehrgeizige Ziel von 20 Millionen Elektrofahrzeugen erreicht werden sollte, ist das zwar ein willkommener, quantitativ jedoch eher geringer Beitrag zur Minderung der bundesdeutschen Treibhausgasemissionen. Und dies setzt bereits den ausschließlichen Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien voraus. Der jedoch sollte angesichts des CO2-Vermeidungspotenzials zuerst die bisherige Stromnachfrage abdecken.
Karsten Hübener, 50, ist Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-ClubsWo immer möglich ist das Fahrrad allen Elektromobilen vorzuziehen. Das Nullemissionsfahrzeug Fahrrad muss konsequent gefördert und der öffentliche Verkehr mitgedacht werden. Das Fahrrad ist Stauvermeider, Klimaschützer, Gesundheitsförderer und Kostensparer zugleich. Elektroautos fahren vielleicht leiser und abgasärmer als Benzin- und Dieselkutschen, verbrauchen aber für Herstellung und Betrieb nicht weniger Energie. Damit sind CO2-Emissionen in den Kraftwerken verbunden, wenn die Akkus nicht ausschließlich mit Ökostrom aufgeladen werden – der noch lange nicht im Überfluss zur Verfügung steht. Auch das Problem verstopfter Innenstädte mit zu wenigen Parkplätzen löst sich nicht durch Elektroautos. Eher helfen elektrisch unterstützte Fahrräder, von denen es schon viele marktfähige Modelle gibt und die den Einsatzbereich von Rädern zum Beispiel für Botengänge oder Pflegedienste erweitern. Dennoch: Besser ist das ausschließlich durch Muskelkraft betriebene Rad.
Axel Dörken, 42, berät zum Thema Zufriedenheit und hat seinen Beitrag auf taz.de gestellt
Elektroauto klingt super. Wäre da nicht die Tatsache, dass für das Auto Rohstoffe benötigt werden, die schon jetzt weitaus teurer sind als Rohöl. Mein Traumauto wünsche ich mir von Sonne, Wind, Wasser oder Luft angetrieben. Ob das geht? Vielleicht irgendwann. Wie wäre es aber in der Zwischenzeit damit: Alle fahren ihre Autos, bis der TÜV sie scheidet. Parallel werden Nahverkehr und Car-Sharing so ausgebaut und beworben, dass immer weniger Menschen ein eigenes Auto brauchen. Und der Mensch befasst sich mehr mit dem Thema Selbstbewusstsein, statt sein Ego zu befriedigen. Dann verschwinden sicher auch viele Spritfresser von den Straßen. Ich fuhr früher selbst Sportwagen – und von der emotionalen Seite her würde ich es auch heute noch gern tun – aber ich kaufe keinen mehr. Das ist der Bewusstseinswandel.