: Der Trend geht weg vom Schnörkelhaus
VORBILDER Am Tag der Architektur am kommenden Wochenende laden Bauherren in ihre vier Wände ein. Ihre Häuser wurden von einer Jury ausgewählt, weil sie sich besonders gut in die Umgebung einpassen, besonders innovativ oder funktional sind
VON JOACHIM GÖRES
Ein geräumiges Wohnzimmer mit Küche, helle Räume mit hohen Fenstern, zwei große Kinderzimmer für die beiden Töchter, kein allzu großes Grundstück, um nicht zu viel Arbeit mit der Pflege des Gartens zu haben – Kristin Lauenstein zählt auf, was ihr beim Bau ihres neuen Zuhauses wichtig war. Seit einem halben Jahr wohnen die vier Lauensteins in einem zweistöckigen Neubau mit 130 Quadratmeter Wohnfläche in Hannover-Anderten. Am 24. Juni präsentieren sie ihr Haus der Öffentlichkeit.
Am Sonntag in einer Woche findet bundesweit der jährlich von den Architektenkammern veranstaltete Tag der Architektur statt, an dem zahlreiche neue oder sanierte Gebäude in Augenschein genommen werden können. Tankstellen, Sporthallen, Bürogebäude, Kirchen, Schulen, Büchereien, Polizeiwachen und vor allem Wohnhäuser laden zur Besichtigung mit fachkundiger Führung in ganz Norddeutschland ein.
Am Haus der Lauensteins fällt auf, dass die Südseite von bis zum Boden reichenden Fenstern dominiert wird. Auf den übrigen Hausseiten gibt es dagegen nur wenige, überwiegend kleine Fenster. Für zusätzliches Licht im Obergeschoss sorgen die Innenfenster. Sie verbinden die nebeneinanderliegenden Kinderzimmer und das Schlafzimmer der Eltern miteinander.
Zusammen mit einer 30 Zentimeter starken Dämmung sowie einer Solaranlage auf dem flachen Satteldach soll das für niedrige Energiekosten in dem Gebäude sorgen. Nach Berechnung des Architekten Michael Kück liegt der Energiebedarf bei jährlich 41,6 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Ein Balkon und ein Keller fehlen bei dem Holzrahmenbau, dafür gibt es im Erdgeschoss außer dem großen Wohnzimmer mit angeschlossener Küche einen abgetrennten Abstellraum. „Ich rate von einem Keller ab, denn der treibt die Baukosten in die Höhe“, sagt Kück. „Wir haben hier 250.000 Euro verbaut, ein Keller hätte zusätzlich 70.000 Euro gekostet.“
Ausgewählt wurden die präsentierten Gebäude von einer hauptsächlich aus Architekten bestehenden Jury: Passt das Haus in die Umgebung? Wie wurde die Bauaufgabe gelöst? Ist das Gebäude funktional? Gibt es innovative Ansätze? Ute Maasberg, bei der Architektenkammer Niedersachsen / Bremen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, nennt damit einige der Kriterien. Dazu zählt auch, dass möglichst Gebäude aus allen Regionen vorgestellt werden – in diesem Jahr von Aurich bis Obernfeld im Eichsfeld, von Nordhorn bis Helmstedt (Näheres unter www.aknds.de).
Maasberg zählt Trends der letzten Jahre beim Wohnhausbau auf: „Es geht weg vom Schnörkelhaus, sondern viele Bauten sind sehr, sehr schlicht gehalten.“ Das habe auch mit dem Energiesparen zu tun, das immer wichtiger werde – ein zusätzlicher Erker wäre eine potenzielle Wärmebrücke. Innen öffnen sich der Wohn- und Küchenbereich für verschiedene Funktionen und gehen ineinander über. „Kubische Formen waren lange gefragt, jetzt gibt es wieder mehr Häuser mit Satteldächern“, berichtet Maasberg.
In Mecklenburg-Vorpommern kann man sich am kommenden Wochenende an vielen Orten anschauen, ob Sanierungen gelungen sind (Näheres unter www.ak-mv.de). In Stralsund wird der Umbau eines ehemaligen Pfarrhauses sowie eines ehemaligen Speicherhauses zu Wohnungen vorgestellt. In Bergen auf Rügen wird die Sanierung eines fünfstöckigen Plattenbaus präsentiert, in Waren die Sanierung eines Fachwerkhauses, in Schwerin der Umbau und die Erweiterung eines Mehrfamilienhauses aus der Vorkriegszeit.
In Schleswig-Holstein werden nur wenige Beispiele für gelungenen Wohnhausbau gezeigt. Vor allem die Hansestadt Lübeck ist dabei vertreten, zum Beispiel mit barrierefrei gestalteten Wohnungen in der Altstadt und dem Dachgeschossausbau an einem Beispiel im Stadtteil St. Jürgen (Informationen unter www.aik-sh.de). In Hamburg-Altona kann man besichtigen, wie eine denkmalgeschützte Schule zu Wohnzwecken umgebaut wurde (www.akhh.de).
War es schwer, überhaupt genügend Bewerber zu finden, die am Tag der Architektur ihre Türen für die Öffentlichkeit öffnen? Die Architektenkammer Niedersachsen / Bremen habe rund 270 Bewerbungen bekommen, von denen in diesem Jahr 121 ausgewählt wurden, sagt Maasberg. Architekten könnten auf diese Weise für sich werben und die Hausherren seien meist stolz, dass sie in einem besonderen Haus wohnen.
Kristin Lauenstein freut sich, dass sie von der Spüle aus nach draußen auf die vorbeigehenden Passanten schauen kann und ihre Blicke erwidert werden. „Durch das viele Glas ist das hier sehr kommunikativ und wir haben so schon einige Leute neu kennengelernt“, erzählt sie. Und nächste Woche freut sie sich auf interessierte Besucher.