: Fischers Visa-Affäre begann beim ADAC
Im Untersuchungsausschuss taucht ein Hintermann für das rot-grüne Visa-Desaster auf: der ADAC-Referent für Grenzverkehr, Karl Rakerseder. Er half Schwarz-Gelb, Reiseschutzversicherungen einzuführen, und Rot-Grün, sie zu perfektionieren
AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER
„Um Himmels willen, Herr Rakerseder ist nicht im Präsidium des ADAC.“ Peter Meyer schüttelt den Kopf. I wo, wollte der ADAC-Präsident damit sagen, so wichtig war mein Mitarbeiter Karl Rakerseder gar nicht. Meyer versuchte gestern im Visa-Ausschuss die Rolle des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs aufzuklären. Viel half er nicht.
Denn ADAC-Präsident Peter Meyer konnte kaum etwas beitragen. Der gute Zeuge Karl Rakerseder, Referent des ADAC für Grenzverkehr und Sportschiffahrt, war jedoch gar nicht erst erschienen. Rakerseder hatte einen Verkehrsunfall. Das ist schlimm für ihn und schade für den Ausschuss. Karl Rakerseder ist sein wichtigster Zeuge.
Der Regierung, insbesondere ihrem grünen Frontmann, Außenminister Joschka Fischer, wird vorgeworfen, vieltausendfachen Visamissbrauch ermöglicht zu haben. Durch Schlamperei, Desinteresse und Nichtwissen. Alles das kann man Rakerseder nicht vorwerfen: Er war sorgfältig, immer aktiv und bestens informiert. Er ist die Schlüsselfigur der ganzen Visa-Affäre, die auf den Missbrauch so genannter Reiseschutzversicherungen zurückzuführen ist.
Mit diesen Versicherungen konnten unter Rot-Grün Reisende aus Osteuropa ohne nähere Kontrollen in den Schengen-Raum gelangen. Rakerseder aber war es, der für die Reiseversicherung des ADAC, das Carnet de Touriste, die entscheidende Verbesserung herausholte. Per Erlass vom 15. Oktober 1999 wurde festgelegt, dass Touristen bei Vorlage von Carnets ohne weitere Kontrollen ein Visum erhalten sollten. Die Referenten aus dem Auswärtigen Amt betonten im Visa-Ausschuss stets, dass sie den kritischen Visa-Erlass genau absprachen – mit Rakerseder.
Als Rot-Grün Ende 2000 merkte, dass mit den Versicherungen etwas schief lief, wurde eine Sitzung anberaumt. Hohe Beamte aus Innen- und Außenministerium nahmen teil – und natürlich Karl Rakerseder. Die Mitarbeiter Otto Schilys und Joschka Fischers fragten den ADAC-Mann, ob man den Erlass vom Oktober 1999 einschränken könne. Rakerseder sagte: Nein.
„Damit war ich nicht einverstanden“, hielt er später für seine Chefs fest, „da von uns immer nur ehrlicher Tourismus gefördert wird.“ Dass Rakerseder damit die Rolle des ADAC unterschätzte, weist der Visa-Aussschuss seit Monaten nach. Schleuserbanden nutzten Reiseschutzversicherungen wie das Carnet, um gerade aus der Ukraine Frauen und Männer einzuschleusen und sie zu Prostitution und Schwarzarbeit zu zwingen.
Visa-Akteure aus ganz Europa wissen Rakerseders Arbeit zu schätzen. „Lieber Herr Rakerseder, unser Zauberer“, schrieb etwa der ADAC-Partnerclub in Aserbeidschan, als Rakerseder erreichte, dass „Touristen-Carnets an der Deutschen Botschaft ohne andere Dokumente akzeptiert“ werden. „Wir wissen, wem es zu verdanken ist.“ Der ADAC-Mann war immer dabei, auch dann, wenn BKA und BGS auf die Probleme der Carnets hinwiesen.
Wie gelangte Rakerseder zu so viel Einfluss? Anders als die Beamten Fischers ist er schon mehr als zehn Jahre im Visa-Geschäft. Er war es, der Mitte der 90er die Verhandlungen führte, um das Carnet der Touriste erst salonfähig zu machen. Der damalige ADAC-Präsident Flimm wusste, wie gut Rakerseder war. In einem Brief an den damaligen Außenminister Klaus Kinkel von 1994 schrieb Flimm: Er, Kinkel, solle die gesetzlichen Rahmenbedingungen herstellen, „der ADAC würde die praktische Realisierung (…) gewährleisten.“
So geschah es. Unter Schwarz-Gelb wurde jenes Dokument eingeführt und schrittweise ausgebaut, das Rot-Grün durch Aufhebung der Kontrollen zu einem Missbrauchspass perfektionierte. Rakerseder war es so möglich, den Politikwechsel, den Rot-Grün im März 2000 mit dem Fischer-Erlass vollzog, auf Beamtenebene vorzuziehen. Der Erlass vom 15. Oktober 1999 , der beinahe alle Kontrollen aufhob, hat einen Namen verdient: Rakerseder-Erlass.