: Eine reizende Einrichtung
Dienstanweisung der Sozialbehörde erlaubt Reizgas im geschlossenen Heim Feuerbergstraße. Erste Zeugenvernehmung nach PUA-Begehung bringt Merkwürdigkeiten ans Licht. Allzu forsches Nachfragen der rot-grünen Opposition ist aber unerwünscht
von Kaija Kutter
Ein Blick ins dpa-Fotoarchiv fördert ein Bild von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) zu Tage, wie sie am 7. Januar 2004 ein bewohntes Zimmer im geschlossenen Heim Feuerbergstraße präsentiert. Für die vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) geplante Begehung am Donnerstagabend, für die die Jugendlichen extra ausgelagert wurden, wollten SPD und GAL keine Film- und Fotoapparate, sondern lediglich Reporter mit Notizblöcken dabei haben. Die Begründung: Es sei eine „zu starke Belastung“ für die Jungen, wenn ihre Räume gezeigt würden, selbst wenn sie nicht da sind.
Doch wer im Anschluss an den Ortstermin ab 20 Uhr der Befragung von Heimleiter Wolfgang Weiland in der Bugenhagenschule beiwohnte, konnte an Hand der Fragen von GAL-Obfrau Christiane Blömeke und SPD-Obmann Thomas Böwer sich doch ein Bild machen. Auch wenn der PUA-Vorsitzende Manfred Jäger (CDU) die Sitzung zu einer Loriot-reifen Vorstellung machte, indem er stetig den Satz „Das ist keine objektbezogene Fragestellung, Herr Böwer“ wiederholte.
Fragen durfte Böwer, ob die Einzelzimmer acht Quadratmeter klein sind (wusste Weiland nicht). Nicht fragen durfte die Opposition, ob diese Enge dem Standard der Jugendhilfe entspricht oder Aggressionen fördert. Auch nicht, ob es zutrifft, dass laut Heim-Betriebserlaubnis die gerade besichtigten Doppelzimmer verboten sind.
Als korrekt ging die Frage nach einer Eisenstange durch, mit der ein Junge einen Erzieher bedroht hatte. Oder nach einem Mauervorsprung, den Weiland entfernen lassen wollte, weil Jugendliche dahinter einem Erzieher auflauern könnten. Ebenso nach den Dellen an den frisch gestrichenen Türen und Kratzern an den Fenstern, die „Zeichen für den Aggressionspegel im Heim“ seien, wie Blömeke vermutet.
Fragen durfte der SPD-Obmann auch, ob, wie von einem Gutachter empfohlen, Dachbelüftungen eingebaut wurden, weil sich der Flachbau leicht erhitzt. Weiland: „Kann ich nicht sagen.“ Erinnern konnte der Zeuge sich ebenfalls nicht, wann genau die Zimmer frisch mit oranger Farbe angestrichen wurden, von der sich die ParlamentarierInnen geblendet fühlten. Auch die Einverständniserklärungen der Sorgeberechtigten für die Psychopharmaka hatten mit Juni 2005 ein frisches Datum.
Etwas aus der Fassung geriet der Heimleiter, als er nach einer Dienstanweisung der Sozialbehörde vom Juni 2003 gefragt wurde, wonach „Reizgas“ und Klettbänder zum Fesseln sicher im Dienstgebäude gelagert werden müssen. Wie diese Dienstanweisung zustande gekommen sei, „ist mir schleierhaft“, erklärte Weiland. Darauf Böwer: „Gab es, gibt es Reizgas?“. Darauf Wieland: „Ich mache bei meinen Mitarbeitern keine Taschenkontrollen.“ Hätte er Gas gefunden, „hätte ich es entfernen lassen“.
CDU-Obmann Kai Voet van Vormizeele ermutigte dies gestern per Pressemitteilung zu erklären, Böwers Reizgas-Behauptung sei „klar widerlegt“. Allerdings liegt der taz inzwischen der vollständige Text der Dienstanweisung für den Sicherheitsbereich von Sozialbehörden-Abteilungsleiter Dirk Bange vor. Darin heißt es: „Als Dienstwaffen sind erlaubt: Reizgassprüher. Montagebänder zur Fixierung“. Letztere lagen übrigens offen im Mitarbeiterzimmer herum.