DIE FDP NUTZT DEN KORRUPTIONSSKANDAL BEI VW ZUR PROFILIERUNG
: Billiger Populismus

Die Schmiergeldaffäre bei Volkswagen wird so langsam richtig schmierig. Am Wochenende sorgten Berichte über nicht nur finanzielle Beziehungen des früheren Betriebsratschefs Klaus Volkert zu einer Brasilianerin dafür, dass die bislang eher trockene Geschichte von Scheinfirmen und Zulieferern, die Geld für Aufträge zahlen mussten, die boulevardtaugliche Komponente bekam. Von Treffen in einer von VW bezahlten Wohnung, Erste-Klasse-Flügen und gemeinsamen Auslandsaufenthalten berichten Spiegel und Focus. Dass die Frau eine „Liebesaffäre bestreitet“, fällt kaum ins Gewicht – das Klischee vom Gewerkschafter, der auch nicht besser ist als ein korrupter Manager, wird wieder mal beschrieben und weiteren Fantasien Tor und Tür geöffnet.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – es ist keinesfalls in Ordnung, wenn Geld aus einer Firmenkasse fließt, ohne dass nennenswerte Gegenleistungen erbracht werden. Das gilt – wenn es sich denn bestätigt – für brasilianische Filmemacherinnen genauso wie für graue Herren mit Beraterverträgen.

Das Problem in diesem Falle aber ist, dass das persönliche Fehlverhalten eines Betriebsrats als Munition gegen das Mitbestimmungsrecht von Arbeitnehmern verwendet wird. So zum Beispiel vom stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Rainer Brüderle, für den der Fall „einmal mehr die Schwächen (…) insbesondere der paritätischen Mitbestimmung“ aufdeckt. Diese Regeln passten sowieso nicht mehr in die Landschaft und müssten „modernisiert“ – also beschnitten – werden.

Man mag ja nichts anderes erwarten von einer Partei, die Gewerkschaften nur als Plage sieht. Doch die Plumpheit dieser Argumentation ist noch nicht mal durch den beginnenden Wahlkampf zu entschuldigen. Zur Erinnerung: Neben einem früheren Betriebsrat war ein ebenfalls zurückgetretener Vorstand Hauptakteur in der Korruptionsaffäre – und nicht die Dame aus Brasilien. Niemand käme deshalb aber auf die Idee, die Beteiligung von Vorständen an der Unternehmensführung ernsthaft in Frage zu stellen. Das wäre billiger Populismus, für den sich die FDP aber offenbar nicht zu schade ist. STEPHAN KOSCH