LESERINNENBRIEFE
:

Lernende Sicherheitskultur

■ betr.: „Ungezählte Beschwerden“, taz vom 20. 6. 12

Zu Recht verweist Kristiana Ludwig darauf, dass die von der Bundesärztekammer vorgelegten Zahlen über Behandlungsfehler und Patienten, die dadurch zu Tode kommen, wenig aussagen. Denn: Nur in einem Bruchteil der Fälle, in denen in Praxis, Apotheke und Krankenhaus vermeidbare Fehler auftreten, streben Patienten Klagen an. Meistens bekommen sie den Fehler gar nicht mit: Weil es noch mal gut geht und gar kein Schaden auftritt oder weil es sich auch um eine schicksalhaft auftretende Komplikation handeln könnte. Ganz andere Zahlen nennt das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) als Schätzungen für die deutsche Gesundheitsversorgung: Bei jeder 10. Krankenhausbehandlung tritt ein Schaden infolge eines vermeidbaren Fehlers auf und 17.000 Menschen sterben daran. Aber: Das ist kein Ärztepfusch, sondern viel eher eine Folge von Defiziten in der Struktur der Einrichtung, der Organisation, den Prozessabläufen verbunden mit Zeitdruck und dadurch ausgelöster Unaufmerksamkeit und „falschen“ Prioritäten. Sehr beliebt ist die Rede vom Ärztepfusch, hilft aber keinem Patienten und auch mit dem Problem nicht weiter. Was wir brauchen, ist eine lernende Sicherheitskultur, Menschen in Gesundheitsberufen, die Patientensicherheit gelernt haben und Krankenhäuser und Praxen, die den Patienten an die erste Stelle setzen. BARBARA HOFFMANN, Berlin

Unerklärliche Lücke

■ betr.: „Marineschule weiht Übungs-mast ein“, taz vom 22. 6. 12

Da gelingt es dem Europaweiten Marsch der Sans Papiers und der Migrantinnen, auch die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz zu überqueren und dort seine politischen Aktionen für die Rechte aller MigrantInnen unter anderem vor dem Ausschaffungsgefängnis fortzusetzen, und die taz hat keine Zeile Raum dafür. Dafür weiß jetzt jede(r), dass die Marineschule einen neuen Übungsmast hat. Bei der sonst engagierten Berichterstattung für die Rechte von MigrantInnen eine unerklärliche Lücke. UWE HONECKER, Freiburg

In der Todeszone

■ betr.: „Spanien auf der Kippe“, taz vom 15. 6. 12

Spanien erreicht also die „Todeszone“. An den Finanzmärkten „steigt die Unruhe“. Anleger sind „nervös“ und haben „Sorge um Griechenland“. Schon klar, das alles ist schwer zu durchschauen. Aber wenn ihr nicht mehr wisst, dann schreibt besser gar nichts. Es könnte doch immerhin sein, dass da Investoren ihre Entscheidungen in erpresserischer Absicht abstimmen, um politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu erzwingen, Europa zu schwächen, Renditen zu maximieren und Spekulationsgewinne zu realisieren. PETER LÖWE, Wien

Geschichtsphilosophischer Dreh

■ betr.: „Hoffnung für die Barbaren“, taz vom 21. 6. 12

Dass die deutsche Esskultur schlichter ist als die italienische, das ist hinlänglich bekannt. Der Schluss der „Handreichung“: „Aber die Lombarden stammen von den Langobarden ab. Und die waren ja Deutsche. Es gibt also noch Hoffnung für die Barbaren“, soll dem Text vermutlich einen geschichtsphilosophischen Dreh geben – der ist aber ganz misslungen. Erstens waren die Langobarden, die um 568 v. Chr. nach Norditalien einbrachen, keineswegs „Deutsche“. Die Zeiten, in denen man alle Germanenvölker durchweg fälschlich als „alte Deutsche“ bezeichnete, sollten längst vorbei sein.

Zweitens stellten die Langobarden auch nach der Eroberung der „Lombardei“ dort nur eine relativ schmale Oberschicht; die vorher ansässige Bevölkerung wurde unterworfen, aber nicht ausgerottet.

Es stimmt also nicht einmal, dass die Lombarden von den Langobarden „abstammen“, ebenso wenig wie die Franzosen von den Franken oder die Andalusier von den Vandalen. Die „Hoffnung“ sei dem Autor unbenommen – aber es wirkt leicht überheblich, wenn der Autor seine Landsleute pauschal als „Barbaren“ hinstellt. WINFRIED SCHUMACHER, Köln

Parkbank mit Geldeinwurf?

■ betr.: „Lehrer sollen für Parkplatz zahlen“, taz vom 20. 6. 12

Hier sollten wir alle hellhörig werden. Es handelt sich um einen schleichenden gesamtgesellschaftlichen Prozess, der darauf hinausläuft, dass es in Zukunft nichts mehr umsonst gibt. Jedermann weiß, dass wir (indirekt) schon längst zahlen, für die Luft, die wir atmen. Aber, es sind noch ein paar Posten offen. Als Nächstes kommt dann die Parkbank mit Geldeinwurf. Wer da lacht, vergisst, dass es schon lange kaum noch kostenlose öffentliche Toiletten gibt.

HEINZ MUNDSCHAU, Aachen