DIE MITBESTIMMUNG MUSS VERÄNDERT UND NICHT ABGESCHAFFT WERDEN : VW fährt auf schmierigen Wegen
Deutschen Unternehmen fehlt es an wirksamen Kontrollmechanismen, um Korruption zu verhindern. Die neueste VW-Affäre um Scheinfirmen und Schmiergelder ist ein Beleg für diesen Mangel.
Der Verdacht, dass der VW-Vorstand seinen Betriebsrat durch großzügige Geldgeschenke gefügig gemacht hat und Vorstandsmitglieder mit Gewerkschaftshintergrund am Aufbau von Scheinfirmen beteiligt waren, verweist nicht nur auf die Schwäche der Innenrevision bei VW. Wenn Kontrolle auf allen Ebenen eines Unternehmens stattfinden soll, muss sie ganz oben beginnen. Zur Debatte steht auch die Zusammensetzung des obersten Kontrollgremiums: des Aufsichtsrates. Und damit stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Form der Mitbestimmung noch zeitgemäß ist.
In den Unternehmen herrscht ein reges Geben und Nehmen zwischen den Vertretern der Kapitalseite und den Aufsichtsräten der Arbeitnehmer. Das dient dem sozialen Frieden und der Konkurrenzfähigkeit. Doch nach einem halben Jahrhundert intensiver Mitbestimmungspraxis sind die Beziehungen so eng geworden, dass Schmiergeld gesellschaftsfähig geworden ist. Deshalb ist es an der Zeit, das sozialpartnerschaftliche Machtkartell in den Unternehmen aufzubrechen.
Die Empfehlung der Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung ist völlig richtig: Die Kapitalseite soll mehr unabhängige Personen in die Aufsichtsräte berufen. Das muss freilich auch für die Gewerkschaften gelten. Wir wäre es mit einer Dreiteilung? Neben Aktionären und Beschäftigten könnten Umweltschützer, Verbraucheranwälte und Antikorruptionsaktivisten ein Drittel der Sitze einnehmen. Diese neuen, von außen kommenden Interessen würden das gewachsene Beziehungsgeflecht durcheinander bringen und auf den unteren Ebenen der Konzerne wirksamere Kontrollmechanismen durchsetzen.
Manche Unionspolitiker und Firmenfunktionäre hoffen, durch die VW-Affäre Rückenwind für die schon lange gewünschte Abschaffung der Mitbestimmung zu bekommen. Doch das würde Korruption nicht verhindern, sondern ihr – wie ein Blick auf die Firmenskandale der USA lehrt – eher Vorschub leisten. HANNES KOCH