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Archiv-Artikel

Independence Days

HIPPEN EMPFIEHLT: Auf dem 16. Internationalen Filmfest Oldenburg wird bis Sonntag wieder der wilde, unabhängige Film gefeiert. Die internationale Szene weiß das zu schätzen

Die „Independent Reihe“ bildet stets den Mittelpunkt des Festivals, das deshalb unter jungen Filmemachern in den USA einen sehr guten Ruf genießt.

Von Wilfried Hippen

Alles wird größer, das Universum expandiert – nur das Filmfest Oldenburg bleibt klein und frech. In ihrem diesjährigen Trailer machen sich die Festivalmacher wieder ironisch selber runter und haben wie immer die Lacher auf ihrer Seite. Tatsächlich ist organisatorisch alles wie in den letzten Jahren – keine neuen Programmpunkte, keine Experimente mit neuen Spielstätten oder Kooperationen mit anderen Kulturinstitutionen der Stadt. Diese Vernetzung ist inzwischen so geschickt geknüpft, dass man es einfach so laufen lassen kann: Die besseren Kreise der Stadt ließen sich etwa gestern Abend in feiner Garderobe bei der Eröffnungsgala im Staatstheater blicken, und viele von ihnen werden wohl am Samstagabend das Festival noch einmal mit ihrem Besuch beehren, denn auch die Filmfest-Nacht im Staatstheater ist inzwischen ein gesellschaftliches Ereignis. Als extremer Kontrast dazu, den man in einem Film etwa mit einem Schnitt vom Brillanten-Kollier zur Fußfessel inszenieren würde, werden auch in diesem Jahr wieder einige Filme im Gefängnis von Oldenburg gezeigt. Diese Vorführungen in der JVA Oldenburg sind inzwischen schon selbstverständlich geworden.

Natürlich darf auch der Stammgast des Festivals nicht fehlen: Seit langem kommt der Veteran des Independence Films Seymour Cassel jedes Jahr mit einem neuen Film im Gepäck nach Oldenburg. Diesmal spielt er in „Staten Island“ von James DeMonaco eine taubstummen Deli-Besitzer, in dessen Laden die Mafia von Manhattan ihre Geschäfte abwickelt.

Die „Independent Reihe“ bildet wie jedes Jahr den Mittelpunkt des Festivals, das unter jungen Filmemachern in den USA inzwischen einen sehr guten Ruf genießt. Wie in jedem Jahr gibt es mit „The Missing Person“ von Noah Buschel wieder mindestens eine Hommage an den Film noir, und auch Ryan Ward hält sich bei seinem Debütfilm „Son of the Sunshine“ an eine der Konventionen des Independent Films, wenn er im Stil des heiligen John Cassavetes mit einem am Tourettesyndrom leidenden Protagonisten von den extremen Außenseitern der amerikanischen Gesellschaft erzählt.

In der internationalen Filmreihe werden traditionell Geheimtipps aus aller Welt vorgestellt. So diesmal etwa „Polytechnique“ von Denis Villeneuve aus Kanada, in dem zugleich hochstilisiert und bewegend von einem Amoklauf in einer kanadischen Schule erzählt wird. Johnnie To ist einer der originellsten Actionregisseure in Hongkong, seine Filme werden traditionell im Forumprogramm der Berlinale gezeigt. „Vengeance“ ist den Berliner Festivalplanern wohl durch die Finger geschlüpft, und so kann man die Deutschlandpremiere seines Killers mit dem französischen Elvis, Johnny Hallyday, in Oldenburg erleben.

In der Retrospektive wird der brasilianische Regisseur Bruno Barreto geehrt. Sein größter Erfolg war die Verfilmung des Romans von Jorge Barreto „Donna Flor und ihre beiden Ehemänner“ (1976), mit Amy Irving in der Hauptrolle drehte er mit „Carried Away“ und Bossa Nova“ auch einige Genrefilme in Hollywood. Sein neuster Film „Last Stop 174“ wird am Mittwochabend im Staatstheater gezeigt. Dieser erzählt von der wahren Tragödie einer Busentführung in Rio.

Ebenso spannend ist das Werk der Regisseure Scott McGehee und David Siegel, die in 15 Jahren nur vier Filme inszeniert haben, darin aber jeweils die Tiefen eines Genres ausloten. Ihr größter Erfolg war der psychologische Thriller „The Deep End“ mit Tilda Swinton. In Deutschland leider kaum bekannt ist dagegen ihr einfühlsames Familiendrama „Bee Season“ mit Richard Gere und Juliette Binoche.