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Archiv-Artikel

Immer Ärger mit den „Fremdarbeitern“

In Rüsselsheim schmückt der umstrittene Begriff eine Gedenktafel für Kriegsopfer. Rot-Grün stimmte für den Text

RÜSSELSHEIM taz ■ Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine steht seit Tagen wegen seiner Äußerung zu osteuropäischen „Fremdarbeitern“ in der Kritik. Vor allem Spitzenpolitiker von Grünen und Sozialdemokraten werfen Lafontaine vor, die Arbeitsemigranten beleidigt zu haben.

Dabei liegen solch markige Worte auch manchen rot-grünen Parteifreunden nicht fern. In der Opelstadt Rüsselsheim nämlich stimmten Sozialdemokraten und Grünen schon 1999 in Magistrat und Stadtparlament für einen in eine Bronzetafel gestanzten Text. Er soll an die zwischen 1939 und 1944 verschleppten und bei Opel zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter aus Osteuropa erinnern. In dem Text ist durchgängig von „Fremdarbeitern“ die Rede. Außerparlamentarische Proteste verhallten ungehört. Grüne und Sozialdemokraten bestanden auf der verharmlosenden Metapher von den „Fremdarbeitern“, die doch nichts anders waren als Arbeitssklaven oder Zwangsarbeiter.

Die Verwendung des Terminus „Fremdarbeiter“ hatte ein lokal bekannter Historiker vorgeschlagen. In Rüsselsheim bei Opel und im Barackenlager neben dem Werksgelände starben die meisten Zwangsarbeiter in den Bombardements der alliierten Luftstreitkräfte, weil sie nicht in die für die deutsche Bevölkerung reservierten Bunker durften.

Eine Provinzposse ist das nicht. Die Stadt Rüsselsheim mit ihren 60.000 Einwohnern gehört zum Bundestagswahlkreis von Margareta Wolf, die damals parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium war und noch parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium ist.

Am vergangenen Wochenende erst wurde Wolf auf der Landesversammlung der hessischen Grünen zur Spitzenkandidatin der Partei auf der Landesliste gekürt. Allerdings erreicht sie nur 64 Prozent. Wolf schwieg in der lokal heftig geführten Fremdarbeiterdebatte ebenso beredt wie das hauptamtliche Magistratsmitglied der Grünen, Jo Dreiseitl. Auch der Parteivorstand der hessischen Grünen äußerte keine Kritik an dem für die „Ewigkeit“ in Bronze festgehaltenen Text über die „Fremdarbeiter“. Dabei hatten auch überregionale Zeitungen über die Diskussion um die Gedenktafel auf dem örtlichen Waldfriedhof berichtet.

SPD und Grüne argumentierten 1999 in Rüsselsheim ähnlich wie Lafontaine heute. „Fremdarbeiter“ sei kein nationalsozialistischer Begriff, hieß es aus dem Rathaus. Die „wenigen Kritiker“ seien dabei, die „gute Sache“ – das Gedenken an die „Fremdarbeiter“ – zu zerreden. Dem politisch Verantwortlichen hat die Debatte nicht geschadet. Im Gegenteil. Oberbürgermeister Stefan Gieltowski wurde am Sonntag mit 65 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT