piwik no script img

Plädoyers in Madrid

Europas größter Al-Qaida-Prozess geht zu Ende. Die Urteile sollen Mitte September gefällt werden

MADRID taz ■ Im größten Al-Qaida-Prozess in Europa hat die Verteidigung am Dienstagabend in Madrid die Plädoyers gehalten. Die 24 Angeklagten müssen jetzt bis Mitte September auf das Urteil warten. Den drei Hauptangeklagten – dem Syrer und mutmaßlichen Chef der spanischen Al-Qaida-Zelle, Imad Eddin Barakat alias Abu Dahdah, seinem Landmann Gasub al-Abrasch Galjun sowie dem Marokkaner Driss Chebli – wird vorgeworfen, die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, bei denen 2.973 Menschen ums Leben kamen, mit vorbereitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb für sie jeweils mehr als 74.300 Jahre Haft. Sie erwartet „eine beispielhafte Strafe“.

Das „Makro-Verfahren“ – so die spanische Presse – begann vor knapp drei Monaten. Im Madrider Ausstellungsgelände im Stadtwald Casa del Campo war eigens ein Gebäude zum Hochsicherheitsgerichtssaal ausgebaut worden. Ermittlungsrichter Baltazar Garzón, der durch seinen Haftbefehl gegen den chilenischen Exdiktator Augusto Pinochet zu internationaler Bekanntheit gelangt war, hatte das Verfahren vorbreitet. Insgesamt legte er Richter Javier Gómez Bermúdez 100.000 Seiten Ermittlungsakten vor. 107 Zeugen wurden vernommen, darunter 69 Polizisten.

Trotz des umfangreichen Materials dürfte es nicht leicht werden, Abu Dahdah und seinen „Soldaten Gottes“, wie die Gruppe geheißen haben soll, die junge Muslime in Ausbildungslager nach Afghanistan und Bosnien-Herzegowina vermittelte, die Beteiligung an den Anschlägen in den USA nachzuweisen. Zwar ist klar, das der Chef der Todespiloten, Mohammed Atta, im Sommer 2001 nach Spanien reiste, um dort mit anderen Attentätern die letzten Vorbereitungen zu treffen. Doch ob Abu Dahdah und Kumpanen die Infrastruktur stellten, dafür gibt es nur Indizien. Die Verteidiger kritisierten deshalb Mängel bei der Beweisführung durch den Ermittlungsrichter Garzón und forderten Freispruch für ihre Mandanten.

Die Angeklagten selbst erklärten sich zu Prozessende für unschuldig. Abu Dahdah ging sogar so weit, jegliche Gewalttat zu verurteilen. Für ihn ist die gesamte Anklage „eine Erfindung“. Der ebenfalls mitangeklagte Journalist des panarabischen TV-Senders al-Dschasira, Taysir Alony, sieht im Prozess gar eine „Strafmaßnahme gegen die gesamte muslimische Gemeinschaft“. Alony wird beschuldigt, Geld für al-Qaida nach Afghanistan gebracht zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn neun Jahre Haft.

Mehrere der Angeklagten werden im kommenden Frühjahr erneut vor dem Richter stehen. Sie sollen in die Anschläge auf die Pendlerzüge in Madrid vom 11. März 2004 verwickelt sein. REINER WANDLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen