OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„The Wedding March“ (1928) ist das absolute Meisterwerk des Erich von Stroheim – auch wenn den Film die stroheimüblichen Katastrophen heimsuchten: Der geplante dritte Teil wurde aus Kostengründen nie gedreht, die letzte erhalten gebliebene Kopie eines „The Honeymoon“ betitelten zweiten Teils verbrannte bei einem Feuer in der Cinématheque française, und auch den ersten Teil ließen die Produzenten kürzen und umschneiden. Erhalten geblieben ist somit nur ungefähr ein Drittel des im k. u. k. Wien angesiedelten Melodrams um die unglückliche Liebe des armen Kleinbürgermädchen Mitzi (Fay Wray) und dem Fürsten Nicki (von Stroheim), der auf Betreiben seiner Eltern eine möglichst reiche Braut heiraten soll. So wird Nicki mit der hinkenden Tochter eines Hühneraugenpflasterfabrikanten vermählt, Mitzi muss einen Metzger heiraten. Stroheims Blick ist unerbittlich: Die Szenen mit der ständig in Geldschwierigkeiten steckenden Fürstenfamilie funkeln mit böser Satire, im Gegensatz dazu macht Realismus den Ekel Mitzis vor dem widerwärtigen Fleischer nahezu körperlich erfahrbar. Zugleich setzte Stroheim die Jugend der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 19-jährigen Fay Wray perfekt in Szene: Mitzis verlegener Flirt mit Nicki während einer Fronleichnamsprozession sowie die Liebes- und Verführungsszenen mit ihrer scheuen Hingabe in der Kutsche unter einem in voller Blüte stehenden Apfelbaum gehören zu den schönsten Momenten der Filmgeschichte. Hier zeigt sich auch Stroheims Liebe zu Uniformen und Kostümen, der er mit Akribie und kostenintensiver Detailgenauigkeit nachgeht, die Filmproduzenten einst in den Wahnsinn trieben und heute der Grund dafür sind, dass „The Wedding March“ in der Kostümfilmreihe läuft. (engl. ZT, 3. 7. Zeughauskino)  Die Umwelt- und Technikkatastrophe in Japan ist knapp anderthalb Jahre nach dem Tsunami und dem GAU in Fukushima aus dem Blick der Öffentlichkeit fast schon wieder verschwunden. Menschen verdrängen, Medien stürzen sich auf neue Katastrophen. Fukushima strahlt derweil weiter, die Zone rund ums havarierte AKW wird – mindestens – auf Jahrzehnte nicht mehr bewohnbar sein. Diese Evakuierungszone durchquert Toshi Fujiwara in dem Doku-Essay „Mujin chitai“ („No Man’s Zone“) und filmt dabei die Nichtzerstörung, gewissermaßen die Gefahr, die sich den menschlichen Sinnen entzieht – denn die Radioaktivität kann man nicht sehen, nicht hören und nicht spüren. Allen, die die Katastrophe verharmlosen wollen, spielt genau das in die Karten. (Om engl U 3. 7. Filmmuseum Potsdam)

 Lustiger ist da der Nudelsuppenwestern „Tampopo“ (1986) des japanischen Regisseurs Juzo Itami, in dem ein einsamer Fremder mit breitkrempigem Hut der netten Besitzerin einer heruntergekommenen Imbissbude hilft, die beste Nudelsuppenköchin Japans zu werden. Garniert ist der Film mit diversen makabren Randepisoden, die das Thema Essen unter Aspekten wie Schmerz, Erotik und Tod betrachten. (OmU, 4. 7. Filmmuseum Potsdam) LARS PENNING