: Geschäft geht vor
ENERGIE Umweltverbände kritisieren das neue CCS-Gesetz – und loben den Kompromiss in Sachen Solarförderung. Bund und Länder einigen sich nach langem Gezerre
BETROFFENE ZUM CCS-GESETZ
VON HEIKE HOLDINGHAUSEN UND BERNWARD JANZING
BERLIN taz | Hoch erfreut die Führung des Energiekonzerns Vattenfall, wütend die Bürgerinitiativen: Nach jahrelangem Streit gibt es in Deutschland ein CCS-Gesetz. Am gestrigen Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz zur Abspaltung und Speicherung von Kohlendioxid verabschiedet. Zuvor hatten sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss geeinigt. Demnach dürfen künftig 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid unterirdisch gelagert werden. Die Länder dürfen die Technik auf ihrem Gebiet verbieten.
Dafür hatten vor allem Schleswig-Holstein und Niedersachsen gekämpft. Dort gibt es potenzielle Speicher, die für die CO2-Verpressung infrage kämen. Aber auch eine Bevölkerung, die dies ablehnt – darum die Ausstiegsklausel. Als Letzten könnten nun Brandenburg die Hunde beißen. Dort werden nicht nur mögliche Speicherräume vermutet, es gibt auch eine die gesamte Wirtschaft des Bundeslandes dominierende Braunkohleindustrie mit dem Vattenfall-Kraftwerk in Jänschwalde.
Tuomo Hatakka, Deutschland-Chef des Unternehmens, freute sich über die Einigung als ein „positives Signal für die weitere Erforschung dieser wichtigen Klimaschutztechnologie“. Der schwedische Konzern hatte wegen des jahrelangen Gezerres um das Gesetz Pläne für ein 1,5 Milliarden Euro teures Kohlekraftwerk in Jänschwalde, in dem Kohlendioxid abgespalten und verpresst werden sollte, Ende 2011 auf Eis gelegt. Nun könnten die Pläne wiederkehren.
Dementsprechend wütend sind die Anti-CCS Bürgerinitiativen. „Wir werden für diesen Wahnsinn mit unseren Steuern herhalten müssen“, sagte Sylvia Wadewitz von der Initiative „CO2-Kontra Endlager“ aus dem Oderbruch der dpa. Es gehe in der deutschen Politik nur noch darum, Konzerninteressen zu bedienen. Die Bürgerinitiativen forderten von der Landesregierung eine endgültige Absage an die umstrittene CCS-Technologie. Dies will auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das Gesetz sähe keinerlei Vorsorge für erhebliche Umweltrisiken wie eine Versalzung des Grundwassers vor und sei Gift für die Energiewende.
Genauso umstritten wie diese Einigung ist der Kompromiss in Sachen Solarförderung. Die Fotovoltaikbranche befürchtet, dass die Kostenentwicklung bei der Produktion mit den künftig jährlich sinkenden Vergütungen auf Dauer nicht Schritt halten kann. Wirtschafts- und Energiepolitiker der CDU hingegen erklärten: Die Novelle sei „nicht geeignet, den Zubau wirksam zu begrenzen“, so Joachim Pfeiffer und Thomas Bareiß. Es seien „weitere Anpassungen“ nötig.
Die Einigung von Bundestag und Bundesrat sieht vor, die Einspeisevergütung rückwirkend für alle neu ab dem 1. April 2012 in Betrieb genommenen Anlagen um bis zu 30 Prozent zu kürzen. Zudem soll das sogenannte Marktintegrationsmodell erst für Anlagen ab 10 Kilowatt gelten. Diese Anlagen bekommen künftig nur noch 90 Prozent ihrer Erzeugung vergütet, müssen den Rest also selbst verbrauchen oder vermarkten. Diese Regel greift jedoch erst ab Anfang 2014, dann aber auch für alle Anlagen, die ab April 2012 ans Netz gingen.
Neu ist außerdem ein Deckel von 52.000 Megawatt. Ist diese Grenze in Deutschland erreicht, soll die Förderung der Fotovoltaik neu definiert werden. Bei unverändertem Zubautempo könnte dieser Punkt bereits 2015 erreicht werden. Der Einspeisevorrang für alle Erneuerbaren bleibt aber auch nach Erreichen der Grenze garantiert. Bei derzeit gut 27.000 Megawatt installierter Leistung wird also noch knapp eine Verdoppelung der Leistung gefördert. Solarstrom erreichte dann einen Anteil am Strommix von rund 8 Prozent.
Der Nabu lobte, der Kompromiss bringe eine Kostenentlastungen für die Energiewende, ohne den Ausbau der Solarenergie abzuwürgen. Die Bundesregierung bleibe aber die Antwort schuldig, wie diese Menge ins Energiesystem eingebunden werden solle.