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Archiv-Artikel

Angriff auf die Pressefreiheit in den USA

Journalistin der „New York Times“ muss bis zu vier Monate in Beugehaft, weil sie ihre Quellen im Fall der Enttarnung einer CIA-Agentin nicht nennen will. Das einseitige Vorgehen des Sonderermittlers weckt den Verdacht auf eine politische Kampagne

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Mit der Verhaftung der prominenten Reporterin der New York Times, Judith Miller, die ihre vertraulichen Quellen nicht preisgeben will, erreicht der seit Jahrzehnten wohl schwerste Schlagabtausch zwischen einer US-Regierung und heimischer Presse einen vorläufigen Höhepunkt. Ein weiterer Journalist, Matt Couper vom Magazin Time, entging dem Gefängnis nur, weil er sich in letzter Minute der Forderung eines von Präsident Bush eingesetzten Sonderermittlers beugte und ankündigte, auszusagen.

Beide Journalisten hatten vor zwei Jahren im Fall der Enttarnung einer CIA-Agentin recherchiert. Dies sorgte damals für Wirbel, da die Preisgabe der Identität von Geheimagenten unter Strafe steht. Der Sonderermittler versucht seither herauszufinden, wer die undichte Stelle in der Regierung ist. Das Bizarre: Weder Miller noch Cooper waren an der Enthüllung beteiligt. Veröffentlicht hatte den Namen der Agentin, Valerine Plame, der konservative Kolumnist Robert Novak, der gute Kontakte zum Weißen Haus hat. Novak berief sich in seinem Artikel auf „zwei hohe Regierungsbeamte“.

Das Timing der Veröffentlichung überraschte damals. Wenige Tage zuvor hatte der Diplomat und Irakkenner Joseph Wilson in der New York Times einen Artikel geschrieben, in dem er Bushs Behauptung widersprach, Saddam Hussein habe sich Uran für Atomwaffen aus dem Niger besorgt. Wilson war von Bush in das afrikanische Land geschickt worden, um diese Spur zu verfolgen und fand für sie keine Beweise. Sein Bericht, den er erst publizierte, als Bush hartnäckig an der Behauptung festhielt, gehörte im Sommer 2003 zu den ersten Bemühungen, die falschen Kriegsgründe der Bush-Regierung zu entlarven.

Was hat nun Wilson mit Plame zu tun? Beide sind miteinander verheiratet. Die Enttarnung beendete Plames Karriere als Spionin. Die Vermutung liegt daher nahe, dass sich das Weiße Haus an dem Querulanten rächen wollte. Die Botschaft: Wer den Präsidenten madig macht, wird bestraft. Da stört es wenig, dass Bush später einräumen musste, die Niger-Irak-Connection sei ein Irrtum gewesen.

Dumm für die Regierung ist nur, dass die Enthüllungstat strafbar ist. Bush konnte also nicht umhin, die Sache untersuchen zu lassen. Er beauftragte den Sonderermittler Patrick Fitzgerald, der sowohl Regierungsmitarbeiter als auch Journalisten vernahm. Doch seine Ermittlungsrichtung überraschte die Medien und warf Fragen nach seinen Motiven auf. Statt Novak nahm er Miller und Cooper ins Fadenkreuz. Miller hatte nur über die Affäre recherchiert, und Cooper ging erst nach Plames Enttarnung dem Fall nach. Novak weigert sich zudem zu sagen, ob er mit Fitzgerald kooperierte.

Fitzgerald verteidigt sein Vorgehen damit, dass Miller mit ihrem Schweigen die Aufklärung einer Straftat behindere. Journalisten sehen in der Verhaftung hingegen einen gefährlichen Präzedenzfall. Staatsanwälte könnten Journalisten fortan unter Druck setzen, ihre Quellen preiszugeben. „Einen Frontalangriff auf die Presse“ nannte David Schorr, Kommentator des öffentlichen Radiosenders NPR, die Entscheidung. Lege man die Haltung Fitzgeralds zu Grunde, hätte es nie „Deep Throat“ und die Aufklärung des Watergate-Skandals gegeben. Für Bill Kovach vom „Committee for Concerned Journalists“ handelt es sich um eine Einschüchterungskampagne der Regierung.

Für viele US-Journalisten steht nun die Pressefreiheit auf dem Spiel. Immer weniger Regierungsmitarbeiter könnten künftig riskieren, brisante, aber der Öffentlichkeit dienliche Informationen durchsickern zu lassen. Immer mehr Journalisten dürften angesichts der Aussicht auf Gefängnis auf anonyme Quellen verzichten. Miller sagte vor Gericht, wenn man Journalisten kein Vertrauen mehr schenken könne, dass sie ihre Quellen geheim hielten, dann könnten sie ihren Beruf nicht ausüben.

Ihr Redaktionsleiter Bill Keller meint, die Richterentscheidung müsse allen „einen Schauer den Rücken hinunter jagen“, die daran glaubten, dass eine Regierung „aggressiv beobachtet“ werden müsste. Während Time Coopers Notizen an das Gericht aushändigte, weigert sich die New York Times kategorisch, Millers Unterlagen wegen des Informantenschutzes weiterzugeben.

Rufe, diesen durch Gesetze zu stärken, werden daher lauter. 31 Bundesstaaten haben solche „shield laws“ bereits verabschiedet, die Reporter davor bewahren, ihre vertraulichen Quellen preisgeben zu müssen. Es gibt jedoch kein Bundesgesetz, dass Miller Immunität verleiht.