: Mehr Geld für häusliche Pflege
ALTER Bundestag beschließt Pflegereform. Demente und Alten-WGs kriegen etwas mehr. Staatlicher Zuschuss zur privaten Vorsorge kommt. SPD rügt „Pflegereförmchen“
VON BARBARA DRIBBUSCH
BERLIN taz | Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der Union und FDP die Pflegereform beschlossen. Das sogenannte Pflegeneuausrichtungsgesetz, das Anfang 2013 in Kraft treten soll, sieht verbesserte Leistungen für Demenzkranke und Pflege-Wohngemeinschaften vor. Die SPD rügte die neuen Regelungen als „Reförmchen“.
Um die neuen Leistungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu finanzieren, soll der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung von derzeit 1,95 Prozent vom Bruttolohn auf 2,05 Prozent steigen, paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Kinderlose zahlen dann 2,3 Prozent an Beitrag.
Wer neben der gesetzlichen Pflegeversicherung noch eine private Zusatzversicherung abschließt, bekommt ab 2013 vom Staat dafür jährlich 60 Euro an Zuschuss. Der Abschluss einer solchen Versicherung, des „Pflege-Bahr“, ist freiwillig. Die Versicherer dürfen dafür keine Gesundheitsprüfung verlangen, können aber die Prämien und die Leistungshöhen aufgrund eigener Kalkulation festsetzen. Die Gesundheitsexpertin Birgitt Bender von den Grünen kritisierte, dass der staatlich geförderte „Pflege-Bahr“ hohe „Mitnahmeeffekte“ für die Besserverdienenden erzeuge, weil nur diese sich überhaupt eine private Zusatzversicherung leisten könnten.
Demenzkranke Menschen, die in ihrer „Alltagskompetenz“ eingeschränkt, aber noch kein Pflegefall sind, bekommen künftig eine neue „Pflegestufe 0“ mit einem Anspruch auf monatlich 225 Euro für Pflegedienste von den Sozialstationen oder 120 Euro für pflegende Angehörige. Auch die Leistungen in den Pflegestufen I bis II für Demenzkranke werden um bis zu 215 Euro monatlich erhöht, aber nur in der ambulanten Betreuung.
Pflegende Angehörige, die eine Auszeit nehmen, erhalten künftig für diese Zeit das Pflegegeld zur Hälfte weiter. Pflegebedürftige, die in Wohngemeinschaften leben, erhalten ab 2013 eine Pauschale von 200 Euro monatlich zur gemeinschaftlichen Finanzierung einer zusätzlichen „Präsenzkraft“.
Eine kleine Änderung könnte folgenreich sein: Sozialstationen bieten bisher „Leistungskomplexe“ mit bestimmten Preisen in der Pflege an. Zeiteinheiten werden dabei nicht abgerechnet. Ab 2013 müssen die Pflegedienste sowohl eine Leistungskomplex- also auch eine Zeitvergütung nebeneinander anbieten. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) befürchtet dadurch steigende Kosten für die Pflegebedürftigen.
Bisher machen die Sozialstationen eine Art zeitlicher Mischkalkulation: Bei den weniger Eingeschränkten kostet etwa eine Morgenwäsche nicht so viel Zeit wie bei den verwirrten Gebrechlichen – für beide wird aber der gleiche Preis für den Leistungskomplex angesetzt. Wird künftig nach Minuten abgerechnet, was sich für die „Fitteren“ lohnen würde, könnten die Preise für die Gebrechlicheren steigen. Ein höherer Aufwand bei der einen Patientin kann dann nicht mehr wie bisher bei einer fitteren Patientin „aufgeholt“ werden.