Erst Ehrung, dann Abschiebung

ROMA Fünfköpfige Familie muss nach Serbien, obwohl sie als Paradebeispiel für eine gelungene Integration gilt. Zwei der Kinder waren sogar mit einer Urkunde ausgezeichnet worden

■ Die Roma, denen Abschiebung droht, kommen meist aus Serbien, dem Kosovo und Mazedonien. Ihre Asylanträge werden grundsätzlich abgelehnt.

■ Rund 10.000 Roma sollen bundesweit in das Kosovo abgeschoben werden. Sie gehören zu den 14.000 in Deutschland geduldeten Kosovaren, die in ihre „Heimat“ zurückkehren sollen.

■ Im Juni 2011 lehnte die SPD-Mehrheit im Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft ab, sich auf Bundesebene für ein dauerhaftes Bleiberecht der Roma einzusetzen.

Der Countdown läuft unerbittlich: Spätestens am morgigen Dienstag muss die fünfköpfige Roma-Familie Racipovic ausgereist sein, sonst wird sie abgeschoben. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, der Petitionsausschuss und die Härtefallkommission der Bürgerschaft haben die Abschiebung für rechtens befunden. Boban Racipovic, seiner Frau Slobodanka und den drei gemeinsamen Kindern Bonita (19), Selenora (16) und Usko (15) müssen nach Serbien zurück.

Auch zahlreiche Medienberichte konnten bislang nichts ausrichten. Die Racipovics gelten als ein Musterbeispiel gelungener Integration. Usko gilt als musikalisch hoch begabt, hat ein Stipendium für die Jugendmusikschule erhalten. Seine Schwester Bonita hat einen Ausbildungsplatz in einem Friseursalon sicher. Wie viele Mitschüler und Lehrer der Kinder hat auch der Friseurmeister eine Petition an die Bürgerschaft verfasst – vergebens. Und Selena bekam mit Bruder Usko vor wenigen Tagen – als die Abschiebung schon angekündigt war – von Schulsenator Ties Rabe (SPD) als Abschiedsgeschenk noch eine Urkunde für ihre hervorragenden Deutschkenntnisse verliehen, die für sie in Zukunft nutzlos sein dürften.

In Serbien drohen der Familie, die nun „freiwillig“ ausreisen will, um einer nächtlichen Zwangsabschiebung zuvor zu kommen, Nachstellungen und Diskriminierung. Roma werden – das hat die UN an zahlreichen Beispielen dokumentiert – in Serbien rassistisch verfolgt. Roma-Frauen gelten als sexuelles Freiwild, Kindern wird der Schulbesuch verwehrt. Doch all das interessiert die Ausländerbehörde nicht. „Die Rechtslage ist eindeutig“ lautet ihr knapper Kommentar. Da die Familie vor zwei Jahren einreiste, weil Boban Racipovic an Krebs erkrankt war, dieser nun aber geheilt sei, müsse sie das Land verlassen.

Zahlreiche Organisationen fordern nun eine Aussetzung der Abschiebungen, nicht nur für die betroffene Familie. Rund 700 bis 1.000 Roma leben in Hamburg – ein Großteil von ihnen wie die Familie Racipovic in der Flüchtlingsunterkunft Billstedt – und sind akut von einer Abschiebung in das Kosovo, nach Serbien oder Mazedonien bedroht.

Die Abgeordnete der Linkspartei Kersten Artus fordert aufgrund der Situation in den Abschiebeländern „ein Bleiberecht für alle Roma in Hamburg“. Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat Hamburg ergänzt: „Ganz besonders die Kinder der Familien, die hier Zuflucht suchen und die zumeist sehr gut integriert sind, brauchen eine Perspektive. Sie ins Elend abzuschieben ist absolut inhuman.“ MAC