: Kulturschaffende raus aus Rat
WENIGER DEMOKRATIE Rotgrün zieht mit auffälliger Eile ein novelliertes Landesmediengesetz durch, was hinter den Kulissen für gewaltigen Ärger sorgt. Heute gibt‘s Fraktionsdebatten
Bundesverband privater Sender
Von Henning Bleyl
„Unverständlich bis unfassbar“ – so bewertet die Filmemacherin und Drehbuchautorin Konstanze Radziwill die Konsequenzen des „in nicht nachvollziehbarer Eile“ novellierten Landesmediengesetzes. Es regelt unter anderem die Zusammensetzung des Landesrundfunkausschusses, der künftig „Medienrat“ heißt: Zu den Vertretern „gesellschaftlicher relevanter Gruppen“, die unter anderem die Sendefrequenzen im Land Bremen vergegeben, gehören Kulturschaffende demnach nicht mehr.
Parteien, Kirchen und Gewerkschaften dominieren das Gremium, dem künftig auch die Handelskammer angehören soll. Radzwill vertrat bislang den Schriftstellerverband. Auch die Kompetenz des einzigen Medienjuristen wird im „Medienrat“ künftig fehlen: Die Anwaltskammer, die mit Lambert Großkopf einen sehr renommierten Fachanwalt entsandt hatte, verlierte ebenfalls ihren Sitz. „Mehr als bedauerlich“ findet das deren Präsident Erich Joester.
Die Einbeziehung von Experten ist für die Arbeit im Medienrat durchaus förderlich – zumal es dort nicht „nur“ um Grundsätzliches wie Sendefrequenzen oder die Belegung der Kabelkanäle geht. Die Kontrolle kommerzieller Sender und entsprechender Internetformate in Bezug auf Jugendschutz und unlautere Werbung, auch das Verhängen angemessener Bußgelder, erfordern durchaus Fachkenntnis und Erfahrung.
Mehr als die Hälfte der jetzigen Ausschuss-Mitglieder muss nach Maßgabe der Gesetzesnovelle ausgetauscht werden, wobei auch die künftige Beschränkung der maximalen Zugehörigkeitsdauer eine Rolle spielt. Diese Obergrenze, die analog zum Rundfunkrat bei Radio Bremen eingeführt wird, ist demokratietheoretisch durchaus sinnvoll – köpft jetzt aber auf einen Schlag die kritische Kompetenz des Gremiums. Gerade die Kulturvertreter fielen bislang durch kritisch-konstruktive Beiträge in den inhaltlichen Debatten etwa um die Neuausrichtung des Offenen Kanals oder das Profil des Filmbüros auf.
Nach der Novelle sollen hingegen Muslime erstmals institutionell vertreten sein, neu ist auch die Vorschrift, die den lizensierten Sendern plattdeutsche Wortanteile abverlangt.
In erster Lesung ist das Gesetz bereits durch. Da seine vielfältige Relevanz über die ausscheidenden Mitglieder erst durchsickert und sich die Proteste mehren, beraten die Bürgerschafts-Fraktionen am Montag noch einmal und über diverse Änderungsanträge. Bei der letzten Sitzung des jetzigen Rundfunkausschusses, am Mittwoch, wurden den hinauskomplimentierten Mitgliedern allerdings nicht allzu große Hoffnungen auf Korrekturen gemacht: „Mit den Gänsen spricht man nicht über Weihnachten“, beschied Ihnen der grüne Ausschuss-Vorsitzende Felix Holefleisch.
Offizielles Ziel der Neubesetzung ist nicht etwa eine Verkleinerung des Entscheidungsgremiums, sondern „Staatsferne“. Hintergrund ist, dass Bremen der rheinlandpfälzischen-Verfassungsgerichts-Klage gegen die Politiker-Präsenz im Aufsichtsrat des ZDF beigetreten ist – da muss man auch bei sich selbst konsequent sein. Bislang wurde die Hälfte des Gremiums von der Bürgerschaft gewählt, was allerdings nur ein formelles en Bloc-Abnicken war, künftig sollen alle direkt von ihren Organisationen „entsandt“ werden.
Allerdings untergräbt die Novelle ihr eigenes Postulat der Staatsferne durch diverse Regelungen, die speziell der Senatskanzlei, die die Novelle konzipierte, einen deutlichen Macht- und Informationszuwachs bescheren: Die Haushaltsautonomie der Landesmedienanstalt wird zu Gunsten von Rechten der Senatskanzlei eingeschränkt. Satzungen für Modellversuche in Sachen Medienkompetenz und dergleichen müssen künftig von ihr abgesegnet werden. Vor allem aber hat sie sich das Recht hineingeschrieben, dass ihr die Frequenz-Zuweisungsbescheide vorgelegt werden müssen – was weder die Landesmedienanstalt noch die Sender selbst für sinnvoll halten.
Der Bundesverband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) fühlt sich durch die Novelle ohnehin in vielfältiger Hinsicht „beeinträchtigt“: „Wir bedauern, dass der Entwurf ohne eine vorherige Anhörung durch die Senatskanzlei in die parlamentarische Abstimmung gegeben wurde“, sagt VPRT-Geschäftsführer Claus Grewenig.