Prominenz schaut Lidl auf die Finger

Wenn in einer Münchner Lidl-Filiale ein Betriebsrat gegründet werden soll, müssen sich der Oberbürgermeister und der SPD-Fraktionschef im Landtag persönlich um das Verfahren kümmern. Denn der Discounter macht Druck auf die Beschäftigten

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Christian Ude soll aufpassen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, Franz Maget auch und Helmut Schmid sowieso. Der Münchner Oberbürgermeister, der Fraktionschef der SPD im bayerischen Landtag sowie der DGB-Vorsitzende im Freistaat engagieren sich zurzeit gemeinsam – damit die 15 Angestellten eines Discount-Markts einen Betriebsrat wählen dürfen.

Verständlich wird die prominente Unterstützung, wenn man weiß, dass es sich um eine Filiale der Billigkette Lidl handelt. Denn in den bundesweit 2.600 Lidl-Geschäften existieren gerade mal 8 Betriebsräte. So gesehen beweisen jene Verkäuferinnen, die in dieser Woche im Münchner Stadtteil Berg am Laim zunächst den vorgeschriebenen Wahlvorstand wählen lassen wollen, einigen Mut. Und brauchen möglicherweise prominenten Beistand.

Denn der Konzern reagiert bislang so, wie man es von den reichlich in Verruf geratenen Discountern kennt. Kaum waren die Pläne für den Betriebsrat bekannt, reiste ein regionaler Verkaufsleiter in die Münchner Filiale und bat alle Beschäftigten zu Einzelgesprächen ins Büro. Kurz danach berief die Geschäftsleitung eine Belegschaftsversammlung ein. Dass die Angestellten dabei eingeschüchtert wurden, weist der Konzern weit von sich. Eine Lidl-Sprecherin teilte mit, dass die Gespräche lediglich der Information gedient hätten und darüber hinaus ein „ausgesprochen gutes und faires Betriebsklima“ in der Filiale herrsche.

Das bezweifelt allerdings Dagmar Rüdenburg, die bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in München für die Discounter zuständig ist. Auch die Lidl-Verkäuferinnen aus Berg am Laim haben sich wegen der Organisation der Betriebsratswahl an sie gewandt. Weil nun, so Rüdenburg, erheblicher Druck auf die Frauen ausgeübt wird, „haben einige von ihnen aus Angst wieder zurückgezogen“. Angesichts der bröckelnden Unterstützung will die Gewerkschaftssekretärin heute entscheiden, ob die Wahl des Wahlvorstandes versucht werden soll – oder ob sie gleich wegen Wahlbehinderung vors Amtsgericht zieht.

Um der Übermacht der Lidl-Kette, die zum Schwarz-Konzern gehört, besser begegnen zu können, hat Ver.di nun prominente Paten gewonnen, die das Verfahren beobachten sollen. Neben Ude, Maget und Schmid gehören dazu auch Vertreter der Kirchen und Künstler der Lach- und Schießgesellschaft. Laut einer Verkäuferin hat die Lidl-Filialleiterin in Berg am Laim nun einen Brief an OB Christian Ude verfasst, in der die Arbeitsbedingungen ihres Marktes aufs Höchste gelobt werden – wozu braucht man da einen Betriebsrat?

Ude möchte diese Logik umkehren: „Wenn das Unternehmen die gewerkschaftliche Darstellung, wonach die Gründung eines Betriebsrates behindert werde, widerlegen möchte, wäre die alsbaldige Gründung eines Betriebsrates das beste Beweismittel.“