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Aus taz FUTURZWEI

Die Jungen und die Pandemie Räumt die Alten ab!

Die Corona- und Klimakrise sind hart, aber bisher hat noch jede neue Generation ihren Weg gefunden.

Die neue taz FUTURZWEI „Voll am Arsch“ untersucht, ob und inwiefern junge Leute die großen Verlierer der Corona-Pandemie sind. Wir fragen eine 22jährige und einen 76jährigen, was ihnen zusätzlich zu der Frage einfällt. Hier die erste Antwort.

Von UDO KNAPP

Und dann sind sie von jetzt auf gleich erwachsen. Vorbei ihr Moment zwischen 15, 16, 17 und irgendwann, in dem Unerwartetes, Zumutungen, Abenteuer und andere Ungeheuerlichkeiten die eben noch so weit offenen Türen krachend zuwerfen und das so elend lange Leben mit all seinem Glück und seinen Bindungen seinen unspektakulären Lauf aufnimmt.

Diesen Moment eines jeden jungen Menschen, sein Coming of Age, haben Jack Kerouac mit „On the Road”, J.D. Salinger mit „Der Fänger im Roggen“, Harper Lee mit ihrem „Wer die Nachtigall stört“ und auch Wolfgang Herrndorf mit seinem „Tschick“ eingefangen. Generationen von Jungen haben mit diesen Geschichten den „Schatten des Erwachsenseins, jenen Schatten der Angst, der hartnäckig an allem festhalten und nichts loslassen möchte“ (Felicitas Hoppe) weggewischt. Sie haben sich dann doch mehr oder weniger entschlossen, gelegentlich seufzend wegen der auf ewig unerfüllten Träume, auf ihren Lebensweg begeben.

Den Moment der Vertreibung aus der eigenen Jugend und diesen Aufbruch ins alltägliche Erwachsenenleben haben auch noch andere Autoren berührend eingefangen, die dem Heute näher sind. Benedict Wells erzählt in seinem Roman „Hardland“ wie ein Highschool-Absolvent aus seiner behütenden, beengenden Kleinstadt in Missouri ins Leben vertrieben wird. Cees Nooteboom erzählt in „Philipp“ von einem Liebe suchenden Roadtrip durch Europas Jugendherbergen als Begegnung mit der politischen Wirklichkeit. Philip Kerrs „Winterpferde“ ist die märchenhafte Erzählung über ein jüdisches Mädchen, das in der Ukraine vor dem Holocaust in ihrer Kleinstadt in den Wald flieht und dort ihr eigenes Leben rettet und das einer Herde der vom Aussterben bedrohten Przewalski-Pferde. Angie Thomas erzählt mit „The Hate U Give“ die Geschichte eines schwarzen Mädchens in einem schwarzen Viertel in einer fiktiven amerikanischen Mittelstadt, die unerschrocken den Polizistenmord an ihrem schwarzen Freund aufklärt und die Mörder vor Gericht bringt.

Die Jungen nehmen ihre Zukunft in die eigenen Hände

Alle diese Erzählungen handeln nicht von frühzeitigem Scheitern. Im Gegenteil, so dramatisch sie anmuten: Die Jungen in diesen Erzählungen sind selbstbestimmt und stark. Sie nehmen ihr Leben, ihre Gesellschaft und ihre Zukunft in die eigenen Hände, sie machen sich auf den Weg in ihr Leben.

Im Moment herrscht eher ein besorgt dystopische Gefahren beschwörender Diskurs; über die Folgeschäden der Corona-Pandemie und auch der Klimakrise für die Kinder und Jugendlichen und ihr zukünftiges Leben. Das ignoriert die Tatsache, dass in der Geschichte der Zivilisation noch jede neue Generation, trotz apokalyptischer Zumutungen und auch über die Alten hinweg, selbst dann Wege zum Guten gefunden hat, wenn es buchstäblich keine Wege dorthin gegeben hat. Das gilt für die jungen jüdischen Überlebenden der deutschen KZ, die sich nach Israel durchgeschlagen haben und sich und ihrem Volk dort eine Zukunft erkämpft haben. Das gilt für junge Männer und Frauen, die in Hongkong ihren aussichtlos scheinenden Kampf um Freiheit und Demokratie trotz aller Bedrückung weiterführen. Das gilt für Frauen überall auf der Welt, die unbeirrt und immer breiter aufgestellt auf dem Weg zur völligen Gleichstellung mit Männern unterwegs sind. Und es gilt nicht zuletzt für Fridays for Future – junge Menschen, die mit einem Selbstbewusstsein und einer Frechheit auftreten, die Älteren gelegentlich die Sprache verschlägt. Auch Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climb“ bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden spricht diese Sprache.

Allerdings müssen die Jungen auch lernen, die Alten aus dem Weg zu räumen, die mit allen Fasern ihres vergehenden Lebens an ihrer Erziehungs-Vormacht festhalten. Dass es dazu mehr braucht, als Selbstbewusstsein und den Glauben daran, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, wird ihnen auf ihrem Weg in ihre Welt auch noch klar werden.

UDO KNAPP, 76, ist Politologe und Studentenführer von 1968.