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Archiv-Artikel

Helden gegen rechts

Weil norddeutsche Neonazis zum Todestag des Hitlerstellvertreters Aufmärsche planen, rufen Antifagruppen zu Gegen-Demos auf: Per Internet, mit Informationsveranstaltungen – und heute Abend mit einem Konzert in Hamburg

Politischer Pop als rebellisches Image, kritisches Linkssein als strategische Vermarktung: Nein Danke. „Wir haben ein politisches Herz“ erklärte Judith Holofernes der taz vor erscheinen der neuen CD: „Von hier an blind“. Und die Frontfrau von „Wir sind Helden“ betonte: „Ich persönlich bin da politisch, wo es um Unabhängigkeit und um Befreiung von Selbstverständlichkeiten und Zwängen geht“.

Die Unterstützung von politischen Initiativen „hängen wir aber nicht immer an die große Glocke“, führte Mark Tavassol weiter aus. So auch heute Abend in Hamburg. In der Flora treten „Wir sind Helden“ und „Payback5“ für die Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen“ auf. Unter dem Motto mobilisieren seit Wochen verschiedenste antifaschistische Initiativen gegen den neonazistischen Aufmarsch im bayrischen Wunsiedel. Dort liegt der Adolf-Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess begraben. Im vergangenen Jahr waren über 4.500 Neonazis zu dem Gedenkmarsch gekommen. „Es war der größte Aufmarsch militanter Neonazis in der Bundesrepublik, wo ganz offen der Nationalsozialismus verherrlicht wurde“, sagt ein Sprecher der Gegen-Kampagne. Grund genug für Antifagruppen aus dem hohen Norden, gegen den Naziaufmarsch im tiefen Süden zu demonstrieren.

Das Konzert ist nur ein Event zur Mobilisierung: Die Initiativen führen auch Informationsveranstaltungen in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein durch, wo sie die Relevanz des „Mythos Hess“ für die Neonazis darlegen. Kaum eine Rechtsrockband, die kein Lied dem früheren Vertrauten Hitlers gewidmet hätte, der sich nicht von den NS-Verbrechen distanzierte. Und kaum ein Nazimagazin, das nicht Hess einschlägige Erklärung vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal wiedergegeben hätte: „Stünde ich wieder am Anfang“, so das Urbild der Unverbesserlichen damals, „handelte ich wieder, wie ich gehandelt habe“.

Die Gegen-Demos am 20. August betten sich in die Protestaktionen der Wunsiedeler ein, kündigte der Kampagnen-Sprecher an. Anfänglich hätten sich vorwiegend norddeutsche Gruppen daran beteiligt. Längst aber würden bundesweit vergleichbare Info-Abende laufen.

Dass Gerichte die Wunsiedeler NS-Verherrlichung stoppen, erwartet kaum jemand. Gegen das bereits erfolgte Verbot des Landkreises hat der Hamburger Neonazianwalt Jürgen Rieger längst Widerspruch eingelegt. Er hat den jährlichen Aufmarsch bereits 2001 bis ins Jahr 2011 bei den Behörden angemeldet. Seitdem kommen immer mehr Neonazis, von den so genannten „Freien Kameradschaften“ bis zur NPD, zu dem rechten Treffen. Gelenkt wird es vor allem von Kadern des „Aktionsbüro Norddeutschland“.

„Der Todestag soll ein Tag für eine befreite Gesellschaft werden“, hofft indes der Sprecher der Gegen-Kampagne. Das Konzert in der Roten Flora wird heute Abend live auch auf der Straße zu hören sein. Andreas Speit

www.ns-verherrlichung-stoppen.tk