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Archiv-Artikel

Kohle plötzlich klimafreundlich

LOBBYISMUS Der Chef der Deutschen Energieagentur plädiert für den Ausbau der Kohlekraft. Dabei sollte er eigentlich für die Erneuerbaren werben. Kritiker sprechen von Willfährigkeit

VON TARIK AHMIA

Einer der wichtigsten Funktionsträger für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland hat sich als Kohle-Lobbyist geoutet: Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), sagte dem Spiegel, der Baustopp für Europas größtes Monoblock-Steinkohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Datteln sei ein Rückschlag für den Klimaschutz.

Die Arbeiten an der 1.050-Megawatt-Anlage des Energieriesen Eon waren vergangene Woche auf Eis gelegt worden, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden hatte, dass das Kraftwerk nicht mit den Klimaschutzzielen des Landes vereinbar sei. Der Kohlemeiler würde das Klima mit jährlich etwa 100 Millionen Tonnen CO2-Emissionen belasten.

Dena-Chef Stephan Kohler sieht das anders. „Wer neue Kohlekraftwerke verhindert, sorgt dafür, dass ineffizientere Anlagen länger laufen“, sagte er. Der Baustopp sei „nicht verhältnismäßig“, schrecke Investoren ab und koste hunderte Jobs. Für Fragen der taz stand Kohler am Montag nicht zur Verfügung.

Kohlers Hauptgeschäft ist es eigentlich, mit seiner Organisation für den Ausbau erneuerbarer Energien und den sparsamen Umgang mit Energie zu werben. Die Dena wurde im Jahr 2000 von Rot-grün als Aushängeschild für eine neue Energieära gegründet. 55 Prozent des Budgets von 19,7 Millionen Euro stammen aus der Privatwirtschaft. Der Energiekonzern Eon zählt zu den größten Geldgebern.

Unter Energieexperten löst die einseitige Parteinahme des Dena-Chefs Kopfschütteln aus. „Ein Kohlekraftwerk, das heute neu gebaut wird, belastet das Klima über die nächsten 40 Jahre mehr als ein altes, ineffizienteres Kraftwerk, das in 5 bis 15 Jahren abgeschaltet wird“, sagte Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, der taz. Jedes Kohlekraftwerk, das neu gebaut werde, bremse den Ausbau der Erneuerbaren. „Ohne neue Kohlekraftwerke könnte nachhaltig erzeugter Strom bis 2020 47 Prozent des deutschen Strombedarfs decken“, sagte Fell. Die Bundesregierung strebe aber nur 30 Prozent an: „Das kostet tausende neue Jobs.“ Kohler und die Dena stünden klar aufseiten der konventionellen Energiewirtschaft. „Kohler zeigt sich willfährig gegenüber den Interessen, die die Dena finanzieren“, sagte Fell.

Tatsächlich hat Kohler ein enges Verhältnis zu den Konzernen. Im Februar gab die Dena bekannt, Kohler werde in eine Spitzenposition des Energieriesen RWE wechseln. Im Mai sagte Kohler den Wechsel jedoch ab und blieb in seinem alten Job.

Auch der Energiemarktexperte Uwe Leprich von der Hochschule für Technik in Saarbrücken kann Kohlers Argumente „nicht ansatzweise“ nachvollziehen. „Das Scheitern von anderen Kohlekraftwerksplänen hat bereits zum Umdenken bei einigen Energieversorgern geführt. In Berlin und Bremen setzen sie inzwischen bereits verstärkt umweltschonende Kraftwerke ein“, sagte Leprich der taz.

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