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Archiv-Artikel

Pisa macht Berlin nicht schlau

Berliner SchülerInnen haben eine durchschnittliche Problemlösungskompetenz. Das ist noch die beste Nachricht beim Ländervergleich Pisa-E. Nun spekulieren Politiker über Ursachen der Probleme

von SABINE AM ORDE

Eigentlich übte sich die Kultusministerkonferenz gestern in Geschlossenheit. Doch eine Bemerkung seiner baden-württembergischen Kollegin Annette Schavan (CDU) konnte Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) dann doch nicht so stehen lassen. Die Äußerungen zur Bedeutung der Sozialstruktur, sagte Böger, die seien Schavan „zu flott von den Lippen gekommen“. Schavan hatte – mit Blick auf die rasante Verbesserung Sachsen-Anhalts im Bundesländerranking der Schülerleistungsstudie Pisa – in Zweifel gezogen, ob die Sozialstruktur einer Region tatsächlich zentral für den Bildungserfolg der Kinder ist. Das Problem: Detaillierte Daten dazu hat die KMK gestern gar nicht vorgelegt. Sie kommen erst im Herbst, wenn die Gesamtstudie präsentiert wird. Und so kann jeder spekulieren, wie er will.

Böger zum Beispiel, und viele Studien geben ihm Recht, erklärt mit der Sozialstruktur stets das schlechte Abschneiden Berlins bei solchen Vergleichsstudien. Gestern hatte der Senator wieder Anlass dazu: Beim Vergleich der 16 Bundesländer, von dem die Kultusministerkonferenz Teilergebnisse vorstellte, landet Berlin stets auf den hinteren Rängen: Im Bereich Mathematik belegt die Hauptstadt Platz 13, bei der Lesekompetenz und in den Naturwissenschaften Rang 10, bei Problemlösungskompetenz Platz 7. Damit hat es Berlin in den beiden letztgenannten Kategorien in den Durchschnitt der OECD-Staaten geschafft und liegt stets vor den anderen Stadtstaaten. Doch vergleicht man die Leistungen der Berliner SchülerInnen mit denen aus Bayern, die erneut am besten abschneiden, so liegt dazwischen der Lerngewinn eines ganzen Schuljahres.

Ob die heutigen 15-jährigen BerlinerInnen leistungsstärker sind als die vor drei Jahren, ist aus der Untersuchung nicht ersichtlich. Beim ersten Bundesländervergleich war die Beteiligung der ausgewählten Hauptstadt-SchülerInnen so schlecht, dass Böger ebenso wie sein Hamburger Kollege die Teilnahme absagen musste. Nur die GymnasiastInnen überschritten die Mindestbeteiligung knapp.

Böger äußerte sich gestern zufrieden über die Berliner Ergebnisse. „Das ist Ansporn und Ermutigung“, sagte der Senator. Das Berliner Bildungssystem befinde sich in einer „fundamentalen Reformphase“, bei der nun Kurs gehalten werden müsse.

Das sehen andere kritischer. Die GEW erklärte gestern erneut, die Bildungsreformen seien nicht mit ausreichend Personal ausgestattet. „Wir brauchen 600 bis 700 zusätzliche Lehrkräfte zum neuen Schuljahr“, so GEW-Vizechefin Dagmar Poetsch. Die Bildungsexpertin der FDP, Mieke Senftleben, wies darauf hin, dass „Böger die Reformen zu spät eingeleitet hat, sie auch nur halbherzig angeht und die Rahmenbedingungen nicht stimmen.“ Auch der grüne Bildungspolitiker Özcan Mutlu kritisierte, dass „wichtige und richtige Reformschritte“ durch „die chaotische und zeitlich viel zu enge Umsetzung“ gefährdet werden.

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