Höchst nerviges Rumgetrampel

betr.: „Je dreister, desto feister!“ (Sozialer Schein gegen Raffkerealität), taz vom 11. 7. 05

Oskar Lafontaine zusammen mit Peter Hartz als Beispiel für jene Raffkementalität anzuführen, die vielen deutschen Führungspersönlichkeiten zu Eigen ist, bedeutet, das Ansinnen des Populisten aus dem Saarland nicht verstanden zu haben.

Lafontaine ist zwar vom Stamme Nimm, sondert jedoch mitnichten „Durchhalteparolen“ an die Adresse der vom Sozialabbau Betroffenen ab. Lafontaine lebt im Luxus, möchte aber, dass alle am materiellen Reichtum dieser Gesellschaft teilhaben können. Genau das werfen ihm seine politischen Gegner ja als „unrealistische“ Forderung vor. UWE TÜNNERMANN, Lemgo

Eine aktuelle Kritik an der Person Hartz, sollten die bekannten Vorwürfe stimmen, kann ich Ihnen nicht verdenken. Sie wären auch nötig. Wenngleich mir in Sachen Hartz eine differenzierte, und daraus folgt zwangsläufig: massive Kritik an seinen „Reform“-Vorschlägen nach wie vor weit wichtiger erscheint.

Das mittlerweile aber höchst nervige Rumgetrampel auf Oskar Lafontaine erscheint mir nicht nur höchst unprofessionell. Es zeigt mir, dass die taz bereit ist, ihren Ruf aus alten Zeiten mit Mainstreampolemiken aufs Spiel zu setzen. Eine Kritik daran, dass Lafontaine seinen Vertrag mit der bekannten Großbuchstabenpostille fortsetzen, mindestens aber die vereinbarten Honorare aus diesem Vertrag bezahlt haben will, hat doch einen leicht durchschaubaren Grund!

Wie wär’s mal mit einer – mindestens bis zum 18. September fortgesetzten – täglichen Artikelserie über den Alltag der vielen Menschen, die dank der, in meinen Augen, kriminellen Abbruchpolitik im Sozialbereich in reale Existenznöte geraten sind? Was ich beobachte, ist, dass sich eine peinliche Mehrheit der Medienvertreter einer seriösen Berichterstattung über die Realität im Lande verschließt, weil diese der neoliberalen Einheitsfront möglicherweise den Boden, soll heißen: das erwünschte treue Stimmvieh entzöge.

HORST M. BECKER, Mönchengladbach