: Jetzt hat Oswald Ruh
Wieder einmal ist Oswald Metzger (57) mit einer Kandidatur gescheitert. Diesmal mit Karacho bei der CDU in Ravensburg, für die er in den Bundestag einziehen wollte. Und diesmal begreift der Wendehals sogar selbst, dass das sein politisches Ende ist
von Rudi Schönfeld
Ich habe einen wachen Geist, kann konzeptionell denken, zugespitzt formulieren und ich bin kein stromlinienförmiger Parteifuzzi.“ Mit solchen Sprüchen wirbt Oswald Metzger gerne für sich. Doch in der CDU, in die er vor vier Jahren gewechselt ist, verstören solche Selbsteinschätzungen eher, als dass sie begeistern. Besonders in Oberschwaben. Die Konsequenz: Die Parteimitglieder straften ihn am vergangenen Wochenende mit Platz drei ab. Noch hinter einem biederen Gastwirt und dem Dauerabgeordneten Andreas Schockenhoff.
Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Der Gymnasiallehrer Schockenhoff vertritt den Wahlkreis Ravensburg seit 22 Jahren im Bundestag und ist dabei nicht sonderlich aufgefallen. Er darf Volker Kauder als Vize in der Fraktion und die Regierung bei den deutsch-russischen Beziehungen vertreten, Außen- und Sicherheitspolitik für die Fraktion betreiben und ansonsten an seiner Gesundheit arbeiten. Nur damit hat der 55-Jährige wenigstens einmal bundesweit für Aufsehen gesorgt – mit seinem Alkoholproblem, das er vor einem Jahr öffentlich machte.
Freiwillig geschah das nicht. Parteifreunde wussten schon lange, dass mit Schockenhoff etwas nicht stimmte. Mal unterschrieb er bei einem offiziellen Termin, ohne zu merken, dass er den Stift über eine Plastikfolie führte, mal vergaß er Termine. Und als er bei einem Musikfest im Wahlkreis auf dem Parkplatz mit seinem Fahrzeug einen anderen Wagen rammte und davonfuhr, ohne sich um den Schaden zu kümmern, hatte ihn die Polizei am Wickel. Zwei Promille ergab die Blutuntersuchung, der Staatsanwalt ermittelte, die Schlagzeilen waren groß und die weitere politische Karriere in Gefahr. Da ging er in die Offensive, outete sich, begab sich in Therapie und verschaffte sich mit seinem Bekenntnis Luft.
Zwei Etiketten sind zu viel: der Verlierer und der Wendehals
In der vermeintlichen Schwäche des Mandatsträgers sah Metzger seine Chance. „Das Rennen ist offen“, hatte er wenige Tage vor der Nominierungskonferenz kundgetan. Doch die Partei mit dem C im Namen erwies sich als noch christlich genug und bereit zur Vergebung. Metzger jedoch erlebte ein Debakel. Fassungslos musste er registrieren, dass er nicht nur gegen Schockenhoff den Kürzeren gezogen hatte, sondern sich in den ersten beiden Abstimmungen auch noch der biedere Gastwirt Hans-Jörg Leonhardt aus dem Allgäu vor ihm einreihte. Metzger erreichte nicht einmal mehr die Stichwahl.
„Man soll niemals nie sagen“, antwortete Metzger auf die Frage, ob er seiner politische Karriere noch fortsetzen wolle, um dann, nach kurzem Nachdenken, jene Einsicht zu zeigen, auf die viele gewartet hatten: „Ich habe es eigentlich nicht vor.“ Vielleicht ist ihm dabei eingefallen, wie oft er schon gescheitert und wie alt er ist. Außerdem zählt wohl auch, was der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling gesagt hat: „Wenn Sie den Aufkleber des Verlierers auf dem Rücken haben, ist das nicht gut fürs Geschäft.“
In Wirklichkeit kleben sogar zwei Etiketten an Metzger: der Verlierer und der Wendehals. In seinem politischen Leben war Metzger Mitglied in der SPD, bei den Grünen und jetzt in der CDU, er hat sich zweimal vergeblich um den Bürgermeisterposten seiner Heimatgemeinde Bad Schussenried beworben, dreimal um ein Bundestagsmandat der CDU und vor zwei Jahren um das OB-Amt von Ravensburg. Der schwarzrotgrüne Dauerkandidat erinnert sich in diesem Zusammenhang gerne an den Spruch seines Großvaters, als er 1994 die Bürgermeisterwahl von Bad Schussenried verloren hatte: „Irgendwann geht schon noch eine Tür auf.“ Tatsächlich ging sie noch im gleichen Jahr auf, als Metzger für die Grünen in den Bundestag einzog und dort zwei Legislaturperioden lang blieb. Noch ein weiteres Mal öffnete sich eine Tür – in den Stuttgarter Landtag von 2006 bis 2008. Doch dann manövrierte er sich in der Partei ins Abseits mit provozierenden Äußerungen wie: „Viele Sozialhilfeempfänger sehen ihren Lebenssinn darin, Kohlehydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen.“
Seitdem ist der grüne Laden zu. Nun hätte der Finanz- und Wirtschaftsexperte, Vortragsreisende für die neoliberale „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), Buchautor, Talkshow-Gast und Kolumnist für das freie Unternehmertum gerne bei der CDU reüssiert. Doch deren Parteigänger im Kreis Biberach, wo Metzger 2008 seinen Aufnahmeantrag stellte, reagierten eher verschreckt. Und sie erinnerten sich mit Grausen an die wilden Jugendjahre des Politrevoluzzers Metzger, in denen er über die Schwarzen im Kreis Biberach und insbesondere über den geliebten Landrat Wilfried Steuer in seiner Postille Motzer hergezogen hatte.
Oberschwaben mögen keine neoliberalen Paradiesvögel
Prompt fiel Metzger bei seinem ersten Versuch durch, mit einem CDU-Ticket in den Bundestag zurückzukehren. Die Biberacher wollten keinen Paradiesvogel, der neoliberale Marktwirtschaft in radikalerer Form predigte als die FDP, sondern wählten einen soliden Parteiarbeiter wie den Landwirt Josef Rief aus Kirchberg/Iller. Das Schauspiel wiederholte sich wenig später im Bodenseekreis, wo Metzger zwar etliche Mittelständler für sich gewinnen konnte, aber im ehemaligen Umweltminister Ulrich Müller und in Andreas Schockenhoff aus dem Nachbarwahlkreis auch entschiedene Gegner seiner Bewerbung fand. Erneut unterlag Metzger; die Mehrheit der Partei entschied sich für den Bürgermeister von Herdwangen im Kreis Sigmaringen, Lothar Rübsahmen.
Doch wer in der Partei geglaubt hatte, Metzger bleibe nun am Boden liegen, sah sich getäuscht. 2010 tauchte er als Kandidat um den Ravensburger OB-Posten wieder auf, lieferte dem späteren Sieger Daniel Rapp (ebenfalls CDU) einen fulminanten Wahlkampf, verlor aber am Ende wieder, wenn auch knapp. Politikwissenschaftler Wehling bedauerte das Scheitern Metzgers damals: „Mir tut er leid, er ist eine politische Begabung. Sehr viele haben wir davon nicht.“
Und nun die Niederlage gegen Schockenhoff. Es gibt Leute, die spekulieren, Metzger wolle mit aller Gewalt noch einen bezahlten Posten in der Politik. Denn mit Vorträgen und Kolumnen lasse sich auf Dauer der Lebensunterhalt nicht bestreiten, zumal – siehe Wehling – das Verliererimage dem Geschäft abträglich ist. Metzger hält dagegen, dass er durch die vorzeitige Niederlegung seines Grünen-Landtagsmandats freiwillig auf 230.000 Euro an Diäten verzichtet habe. Deshalb könne man ihm nicht vorwerfen, ihm gehe es nur ums Geld. Auch diese Debatte dürfte seit dem letzten Samstag beendet sein. Metzger hatte einen letzten Schuss – aber der ging nach hinten los.