Bankraub auf Ägyptisch

KULTURKAMPF Eingeklemmt zwischen Militärrat und Islamisten – Magdy El-Shafee und sein in Ägypten verbotener Comic „Metro. Kairo Underground“

VON ANDREAS FANIZADEH

Magdee El-Shafee ist ein sympathischer Bursche. Sein Comic „Metro“ steht für eine aufgeklärte jüngere Szene in Ägypten, die mit den neuen Technologien vertraut ist und sich nicht in Gegensatz zum „Westen“ oder der Popkultur sieht. Auf mehreren Veranstaltungen in Deutschland erzählte er jüngst über die Geschichte seiner Politisierung und wie es dazu kam, dass er die wohl erste moderne Graphic Novel Ägyptens schuf.

Bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt am Main erschien er dieses Jahr verspätet, gut gekleidet, smart und mit Plastiktüte in der Hand. Während die deutschen Fernsehreporter die Ereignisse 2011 rund um den Tahrirplatz in Kairo größtenteils von ihren Hotels aus kommentierten, gingen draußen Militär und Schlägerbanden auf die Demokratiebewegung los. Magdee El-Shafee war auch darunter.

Nackte Haut

Mit dem schließlich siegreichen Aufstand gegen das Mubarak-Regime 2011 waren die Kulturkämpfe aber genauso wenig beendet wie der Kampf für eine demokratische Gesellschaft in Ägypten. Militärrat und Muslimbrüder ringen nun um die Vorherrschaft, beide haben keinen Sinn für Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Immer wieder werden Oppositionelle auch weiterhin auf der Straße überfallen oder willkürlich inhaftiert.

Und so bleibt auch El-Shafees 2008 in Ägypten erstveröffentlichter Comic „Metro“ in Ägypten bis heute verboten. Seine Kriminalgeschichte beinhaltet sehr explizite politische Lyrics gegen das alte Regime, aber auch eine locker skizzierte Liebesszene. Blanker Busen, schwarz-weiß auf Papier, ein Analphabet kann dies identifizieren. Und nackte Haut ist für einen Muslimspießer wie Tageslicht für den Vampir.

Wer Magdy El-Shafee einmal sprechen hörte, weiß, dass er kein Freund allzu lauter ideologischer Töne ist. Er ist eher ein eigensinniges Individuum der ägyptischen Zivilgesellschaft, entwachsen den Revolten nach 2005, die dem letztjährigen Umsturz vorausgingen.

Vor sieben Jahren beschloss der 1962 geborene und im Hauptberuf als studierter Pharmazeut in einem Kairoer Chemiebetrieb arbeitende El-Shafee, eine zusammenhängende Bildergeschichte zu schaffen, die die Willkür der Staatsgewalt und die soziale Ungleichheit im Lande anprangern sollte.

2001 hatte er einen Zeichenkurs an der Amerikanischen Universität von Kairo absolviert. „Metro“ ist in der Tradition neuerer französischer Comics gestaltet. El-Shafees flächiger und kantiger Schwarz-Weiß-Stil erinnert an illustrierte Romane wie Barus „Autoroute du soleil“, ein Meisterwerk der 90er Jahre, (auch wenn die deutsche Übersetzung von „Metro“ etwas rumpelt und das Von-hinten-nach-vorne-Lesen doch eine kleine Herausforderung darstellt).

„Heute habe ich beschlossen, eine Bank zu überfallen“, lässt El-Shafee seinen Helden Schihab in der ersten Szene der Geschichte sagen. Schihab, ein nachdenklicher, entschlossener großer Typ mit hoher Stirn sinniert: „Ich weiß nicht mehr, wann sich all dieser Zorn in mir angestaut hat.“ Er nennt ein kleines Softwareunternehmen sein Eigen, ist aber hoffnungslos verschuldet bei korrupten Figuren der ägyptischen Ober- und Unterwelt, deren brutale Eintreiber immer näher rücken.

Hacker in der Metro

Doch Schihab, der – sehr wichtig – auch im Stockkampf geschult ist, vermag seine technischen Fähigkeiten einzusetzen, um sich in die von außen so undurchschaubar wirkenden ägyptischen Geld- und Datenströme einzuhacken. Ein Computer, ein öffentliches Telefon, und schon ist er mittendrin.

El-Shafee hat seinen Comic entlang der Kairoer Metro strukturiert. Schihab bewegt sich unterirdisch durch die Metropole. Taucht ab, taucht auf. Die U-Bahn-Stationen heißen „Sadat“, „Nasser“ oder „Maadi“. El-Shafee zeigt ein Kairo, geprägt von Nepotismus und Kleptomanie. Ein „Phantom“ treibt sein Unwesen, lässt sogar Unternehmer umbringen – „mit schönem Gruß von Oben“ – und schiebt die Morde öffentlichkeitswirksam anderen in die Schuhe. Unter- und Mittelschichten werden gegeneinander aufgehetzt. Schon klar, warum das Mubarak-Regime den Comic verbieten ließ.

Aber heute, 2012? Ach ja, da wären ja neben der Kritik an den hässlichen sozialen Missständen auch noch die hübschen freien Busen. Aber ohne die keine demokratische Revolution. Doch sexuelle Gewalt, das macht Magdy El-Shafee in einer anderen Szene klar, als gedungene Schläger über eine Demo der Zivilgesellschaft und Schihabs Freundin, die Investigativjournalisten Dina herfallen, war auch schon zu Mubaraks Zeiten ein probates Mittel der Repression. Von den Muslimbrüdern ist künftig nichts Besseres zu erwarten. Im Gegenteil.

So wie El-Shafees Held Schihab am Ende um seine Beute gebracht wird, könnte es auch der ägyptischen Demokratiebewegung ergehen: heldenhaft gekämpft, viele neue Einsichten gewonnen, aber am Ende kassieren andere ab. Dennoch werden sich die in der Revolte gemachten Erfahrungen nicht mehr so leicht aus dem kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft bannen lassen. Kairo ist – in Teilen –, das zeigt „Metro“, eine moderne Großstadt. Der Humus für künftige Revolten, von denen Magdy El-Shafee hoffentlich bald in weiteren Bildgeschichten erzählen wird, ist vorhanden.

Magdy El-Shafee: „Metro – Kairo Underground“. Edition Moderne, Zürich 2012, schwarz-weiß, 104 Seiten, 18 Euro