Garantiert in falschen Händen

Übertriebene Hysterie: In der schwarzen Komödie „Nicotina“ von Hugo Rodríguez überleben die Raucher

Was soll man sagen über einen lauen Film, dem ein Hype vorauseilt? Das braucht kein Mensch? Möglicherweise ist das zu knapp und trifft nicht ganz das Phänomen. Die Werbemaschine ist ja bereits angelaufen, triggert Affekte und Neugier. Und vielleicht ist der Hauptdarsteller schon ein Argument, Diego Luna, der seit seiner Rolle in „Y tu mama tambien“ als der mexikanische Johnny Depp gilt, der charmante junge Mann mit den melancholisch-abwesenden Augen, der so oft den Unbeholfenen geben muss.

Auch werden sich genug Zitate aus namhaften Zeitungen finden, die den Regisseur Hugo Rodríguez den neuen Guy Ritchie nennen und „Nicotina“ realistic urban stylish, das „Snatch“ aus Mexico City. Und dann wäre da noch ein Superlativ zu vermelden, ohne den der Film wahrscheinlich nie in deutschen Kinos gelandet wäre: „Nicotina“ war 2003 in Mexiko der Kassenschlager Nummer eins.

Warum es also nicht den Mexikanern nachtun und mal wieder ins Kino gehen? Nun, die Geschichte basiert letztendlich auf einem Witz, den sich einige Buben aus jenen Werbeagenturen hätten ausdenken können, die für die Sprüche auf den Zigarettenpackungen verantwortlich sind. Raucher könnten theoretisch früher sterben als Nichtraucher, aber wir konstruieren so viele Zufälle und Verkettungen, dass der (junge) Raucher am Ende alle überlebt. Seht her: leben ist viel gefährlicher als rauchen.

Dabei fängt alles ganz vielversprechend an, mit einer bizarren Nachbarschaftsgeschichte, mit einem Computer-Geek (Diego Luna) und einem Cello-Nerd – einer Nerdin, um genau zu sein. Er ist frustriert verliebt im fortgeschrittenen Stadium, überwacht ihre Wohnung mit einer Webkamera und verfolgt ihr (Liebes-) Leben vor seinem Computer. Aber wie jede Episode in „Nicotina“ dient auch diese nur dazu, ein Missgeschick zu provozieren. Die Sache fliegt auf, sie verwüstet seine Wohnung und löst damit den Running-Gag der weiteren Handlung aus. Eine falsche CD gerät in falsche Hände, es geht um Schweizer Nummernkonten und russische Mafia, um ein streitsüchtiges Ehepaar in einem Friseursalon und eine frustrierte Apothekerin. Mehr wird nicht verraten.

Das Genre der Black Comedy ist schwer genug und selten unpeinlich. Und auch hier macht Hugo Rodríguez den klassischen Fehler der grundlos übertriebenen Hysterie und vergisst: Das ist nicht komisch, sondern langweilig. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass der Regisseur in den letzten Jahren vor allem als Produzent tätig war, 40 Filme seit 2000, die meisten davon Kurzfilme, aber immerhin. So wirkt auch „Nicotina“ wie eine wohl kalkulierte Produzentenidee, die das mexikanische Kino nach den Erfolgen von „Amores Perros“ und „Y tu mama tambien“ für den internationalen Markt fit machen soll. Wenn Sie nun trotz allem wissen wollen, wie das aussieht, sagen Sie nicht, Sie seien nicht gewarnt worden.

ANNETT BUSCH

„Nicotina“. Regie: Hugo Rodríguez. Mit Diego Luna, Lucas Crespi u. a.Mexiko 2003, 93 Min.