: Mannschaft ohne Gesicht
SAISONSTART Zweitligist FC St. Pauli steht vor einem Neuaufbau und sucht dringend Charaktere
Überall wird gehämmert und gewerkelt: Das Stadion am Millerntor ist eine einzige Baustelle und niemand weiß genau, wie weit es zum Saisonstart sein wird. Was für die Arena gilt, gilt auch für das Team. Einen Monat vor dem ersten Pflichtspiel nimmt der Kader zwar langsam Form an, fertig aber ist er noch nicht.
Am Ende einer erfolgreichen Saison, in der der sofortige Wiederaufstieg nur knapp verpasst wurde, mehrten sich beim FC St. Pauli die Nebengeräusche, die bis heute nicht verklungen sind. Trainer André Schubert wurde erst durch eine gezielte Indiskretionen aus der Vereinsführung sturmreif geschossen, um – als alle mit seinem Rausschmiss rechneten – von denen, die ihn zuvor demontiert hatten, wieder aufs Schild gehoben zu werden. Dafür musste Sportchef Helmut Schulte seinen Hut nehmen – gerade als die Kaderplanung Schwung aufnehmen sollte.
Ein Dutzend Spieler hatte dem Verein zum Saisonende den Rücken gekehrt. Mit Florian Lechner, Marcel Eger, Ralph Gunesch, Carsten Rothenbach und Fabio Morena hatten innerhalb gut eines Jahres fast alle Spieler, die das Gesicht der Mannschaft geprägt hatten, den Club verlassen, und auch die kreativen Stützen des Teams – Charles Takyi, Deniz Naki und vor allem Max Kruse – suchten das Weite.
So steht der Kader unter der Regie des neuen Sportchefs Rachid Azzouzi vor dem Neuaufbau unter erhöhtem Druck. Das Präsidium hat die sportlichen Vorgaben erhöht, ein Platz unter den besten 25 Vereinen reicht nun nicht mehr; der Wiederaufstieg soll gelingen. Ob die acht bislang bekannten Neuzugänge aber die Qualität für einen Sturm in die Eliteliga aufweisen, lässt sich nicht einschätzen.
Lediglich Florian Mohr aus Paderborn spielt seit Jahren auf hohem Zweitliganiveau und gilt als einer der besten und konstantesten Innenverteidiger der zweiten Liga. Das gilt – mit Abstrichen – auch für den ebenfalls aus Paderborn stammenden Verteidiger Sören Gonther, der allerdings noch immer eine schwere Verletzung auskuriert und von dem niemand sagen kann, wann er wieder topfit ist. In der Vorwärtsbewegung setzt der FC St. Pauli auf drei junge Wilde, deren Spielstärke schwer einzuschätzen ist und die deshalb die Offensive zur Wundertüte machen. Akaki Gogia (20), Daniel Ginczek (21) und Lennart Thy (20) gelten als hoch talentiert, aber noch wenig erfahren.
Routine hingegen brächte ein Spieler mit, der derzeit beim Hamburger Zweitligisten trainiert und dessen Verpflichtung nicht ausgeschlossen ist. Florian Kringe (29) fand bei Meister Borussia Dortmund nach einem Mittelfußbruch nicht mehr den Anschluss und wurde am Ende der Spielzeit aussortiert. Im Mittelfeld und als Außenverteidiger flexibel einsetzbar, könnte er dem Team ein Gesicht geben und dessen Qualität anheben. Und vielleicht bringt der Abgänger aus dem Meisterteam ja den Hauch Siegermentalität ans Millerntor, der gebraucht wird, den Traum von der Bundesliga wahr werden zu lassen. MAC