Der Kommunarde

Die Schwimm-WM in Montreal hat begonnen – Thomas Rupprath hat sich in einer neuen Umgebung vorbereitet

HANNOVER taz ■ Sein neues Leben auf engstem Raum, das Teilen von Küche und Badezimmer, gefällt ihm. „Vom puren Luxus in einfachste Umstände, das kann einem ganz gut tun“, sagt Thomas Rupprath und grinst. Dass einer der weltbesten Schwimmer, der bei der Weltmeisterschaft in Montreal auf Titeljagd gehen will, Anfang des Jahres in eine Wohngemeinschaft eingezogen ist, klingt wie ein Kalauer. Aber Rupprath, der von der SG Bayer Wuppertal zu den Wasserfreunden Hannover gewechselt ist, geht die Sache ernsthaft an. In Rostock, wo seine Frau ein Möbelhaus betreibt, lebt er feudal in einem Haus. In Hannover, wo er sich von Montag bis Freitag im Training schindet, wohnt er in einer Sportler-Kommune und wird dort nur „Ruppi“ gerufen. „Ich kann sehr bescheiden leben und muss das Geld nicht mit beiden Händen aus dem Fenster werfen“, sagt der 28-Jährige, der sich als einer der wenigen deutschen Schwimmer (geschätztes Jahreseinkommen 300.000 Euro) mit seinem Sport finanziell gut über Wasser halten kann.

Zu den jungen Menschen, mit denen Rupprath gemeinsam abtrocknet oder die ihn an das Entleeren des Mülleimers erinnern, gehört die 23-jährige Katrin Beinroth. Die Dritte der Judo-Europameisterschaft lebt bereits seit fünf Jahren in jener Wohngemeinschaft, in der der Olympiastützpunkt Hannover seine größten Medaillenhoffnungen unterbringt. Acht Sportler, aufgeteilt in zwei miteinander verbundenen Altbauwohnungen, leben hier zu stark subventionierten Konditionen. Abends treffen sich im gemeinsamen Wohnraum Segler, Turner, Judoka und eben Rupprath. „Als bekannt wurde, dass Thomas bei uns einzieht, haben mich die Jüngeren beim Judo gebeten, Autogramme mitzubringen“, sagt Schwergewicht Beinroth. „Klar, er ist berühmt. Aber er gibt sich bei uns wie ein ganz normaler Sportler. Der muss den Müll runterbringen wie jeder von uns.“

Es gibt in Hannover sicher bessere Wohngegenden als die unweit des Rotlichtviertels Steintor gelegene Calenberger Neustadt, in der die so genannte Sportler-WG beheimatet ist. Aber Rupprath fühlt sich in seiner Wahlheimat pudelwohl. Weil mit Jens Schreiber einer der besten deutschen Freistilschwimmer Tür an Tür mit ihm in der WG wohnt. Abends kommt oft sein bester Freund Lars Conrad auf ein Bier vorbei – die beiden und Schreiber sorgen dafür, dass die Wasserfreunde Hannover eine der derzeit schnellsten Staffeln der Welt aufbieten. „Wir können hier wirklich optimal und sehr intensiv trainieren. Und wir verstehen uns bestens“, sagt Rupprath. Er sammelt Titel in Serie, wirbt für eine Versicherung, für alkoholfreies Weizenbier und für eine Badenhosenfirma. Er denkt bis Olympia 2008, seinem voraussichtlichen Karriereende, an die nötige Rücklagenbildung. Deshalb spart er sich eine Zweitwohnung in Niedersachsen.

Bei aller Begeisterung über sein neues Leben auf, so empfindet es Rupprath, „tiefstem Studentenniveau“ – die Enttäuschung über die Rahmenbedingungen im deutschen Schwimmsport kann er nicht verbergen. Auf einschneidende Veränderungen nach dem olympischen Desaster in Athen wartet der Schmetterling- und Rückenspezialist immer noch. Der Deutsche Schwimm Verband (DSV) hat zwar dafür gesorgt, dass Ruppraths neuer Trainer Frank Lamodke entlastet wird und sich in Hannover auf wenige Spitzenkräfte konzentrieren darf. Aber sonst noch? „Ich habe bisher nicht gemerkt, dass irgendwas verändert wird. Und da wird sich bis Peking wohl auch nicht viel tun“, meint Rupprath.

Zwei Jahre noch will Rupprath durchhalten, für die Zeit danach zeichnet er ein sehr düsteres Bild. „Nach 2008 wird es im Schwimmsport kaum noch Namen geben, für die eine Fernsehkamera angemacht wird. Es ist hart, aber einer wie Franzi oder ich ist doch kaum in Sicht.“ Weil das so ist und weil er so nett ist, werden ihm die Segler, Leichtathleten und Judoka im heimischen WG-Wohnzimmer umso mehr die Daumen drücken, wenn er in Montreal um die Medaillen schwimmt.

CHRISTIAN OTTO