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Archiv-Artikel

Sparkassen werden normale Banken

Es ist das Ende einer Ära: Ab heute darf der Staat nicht mehr für die Verluste der Sparkassen und Landesbanken haften. Ein einzigartiges Privileg der öffentlichen Banken wurde damit abgeschafft. Die Kunden können trotzdem gelassen bleiben

Bankexperte Pauli: Keiner soll denken, hoppla, bloß weg von der Sparkasse

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Die deutschen Privatbanken haben lange auf diesen Tag gewartet. Ab heute sind die Sparkassen und Landesbanken ganz normale Geldinstitute. Sie haben ein europaweit einzigartiges Privileg verloren: Der deutsche Staat haftet nicht mehr für ihre Verluste.

Für die EU-Kommission und die deutschen Privatbanken bestand kein Zweifel: Diese Staatshaftung war als eindeutige Wettbewerbsverzerrung zu werten. Schließlich mussten sich Sparkassen und Landesbank nicht gegen Verluste absichern – und konnten sich gleichzeitig Fremdkapital besonders günstig leihen. Denn die Anleger verlangten keinen Risikozuschlag, weil sie ja wussten, dass notfalls der Staat einspringen würde. Ergebnis: Die Sparkassen konnten ihren Kreditkunden günstigere Konditionen anbieten als die private Konkurrenz.

Nach jahrelangen Verhandlungen einigten sich die EU-Kommission und die Bundesregierung am 17. Juli 2001 auf die „Brüsseler Verständigung“: Die Staatshaftung sollte nach einer Übergangsfrist von vier Jahren entfallen – also heute.

So die Theorie. Tatsächlich wirkt die Staatshaftung noch bis zum Jahr 2015 fort. Denn die Bundesregierung konnte in der „Brüsseler Verständigung“ eine zehnjährige Übergangsfrist erreichen. So lange sind noch alle bestehenden Anleihen der öffentlichen Institute staatlich abgesichert. Dieses Zugeständnis nutzten die Sparkassen und Landesbanken, um sich mit billigem Geld einzudecken. In ihren Kriegskassen dürften nun etwa dreimal so viele liquide Mittel lagern wie bei privaten Banken. Im Kampf um die Kunden gelten also vorerst die alten Regeln.

So sehen es auch die international führenden Ratingagenturen Moody’s, Standard & Poors und Fitch: Sie verteilen gute Noten an die Landesbanken und Sparkassen. Ganz pragmatisch gehen die Analysten davon aus, dass die Politik die öffentlichen Banken schon nicht im Stich lassen würde, wenn diese in die Krise gerieten – schließlich wären zu viele Jobs bedroht. Die offizielle Staatshaftung mag in Deutschland abgeschafft sein, nicht jedoch die faktische.

„Es wird sich nicht viel ändern“, prognostiziert denn auch Ekkehard Wenger, Professor für Bank- und Kreditwirtschaft an der Universität Würzburg. „Die Konsolidierung der Bankenlandschaft steht noch aus.“

Zum Beispiel bei den Landesbanken: Noch immer gibt es elf dieser Institute, die den Ländern und Sparkassenverbänden gehören. „Da besteht Rationalisierungsbedarf“, konstatiert Wenger, der „zwei bis vier“ empfiehlt. Auch Kanzler Gerhard Schröder und Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt wollen die Zahl der Landesbanken auf drei Institute reduzieren.

Doch Wenger bezweifelt, dass dieses Projekt gelingt: „Die Geltungsbedürfnisse der Landespolitiker sind zu groß“, die ihren Einfluss auf die Landesbanken nutzten, um Wirtschaftspolitik zu betreiben. „Ziemlichen Unfug“ findet Wenger, dass jede Landesbank nur für ein Gebiet zuständig ist. „Da wird Risikoakkumulation betrieben“: Wenn eine Region in die Krise gerate, „dann sitzt die betroffene Landesbank nur noch auf Problemkrediten“.

Die Privatbanken hatten ursprünglich gehofft, die Neuregelung werde die Sparkassen so schwächen, dass sie endlich bereit wären, ihre Filialen zu verkaufen. Doch die Sparkassen zeigten sich robust – dominieren sie doch das Privatkundengeschäft, das sich zudem als überraschend profitabel erweist. So hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kürzlich festgestellt, dass die Renditen bei den Sparkassen sogar höher liegen als bei den Privatbanken. Es hat sich für die öffentlichen Institute gelohnt, auf langfristige Kundenbindung zu setzen, während einige Großbanken kurzfristig Renditen von bis zu 25 Prozent erwirtschaften wollen. „Damit nehmen sie sich selbst aus dem Kundengeschäft“, kritisiert Wenger. Der deutsche Bankensektor dürfte also zerklüftet bleiben. Auch mit Übernahmen aus dem Ausland rechnet Wenger nicht: „In Deutschland können doch Banken nichts verdienen.“

Gelassen sind auch die Verbraucherschützer. Ihr Bankexperte Frank-Christian Pauli findet es „nicht zwingend, dass sich viel ändern wird“. Man werde das Ende der Staatshaftung aber „beobachten“. Doch sollten die Bankkunden jetzt „nicht denken, hoppla, bloß weg von der Sparkasse“.