Songs From A Room : Neuer Klang
Ich war grad umgezogen und noch neu in dem Zimmer. Um mich mit der neuen Wohnung in der neuen Gegend zu befreunden, spielte ich ihr manchmal schöne Lieder vor; 24 Minuten „Autobahn“ von Kraftwerk zum Beispiel, „Nichts haut einen Seemann um“ von Udo Lindenberg oder dies eine superwehmütig-verträumte Lied von der Whirlpool-Platte „Dense Music“.
Man muss mit solchen Sachen natürlich vorsichtig sein – schnell verbraucht sich ein Stück und man kann’s sein Leben lang dann nicht mehr hören. Doch die Musik, die ich der neuen Gegend vorspielte und die ich eigentlich in- und auswendig kannte, klang hier ganz anders. Das hatte objektive Gründe, die mit musikfreundlicheren Wänden, Dielen und Fenstern zu tun hatten. Plötzlich hörte ich Instrumente, lustige Geräusche, raffiniert begleitende oder gegenläufige Hintergrundpassagen, die ich zuvor übersehen hatte. Ein Effekt wie aus der Teenagerzeit, als man seine frisch geputzten Platten zum ersten Mal auf einer richtigen Anlage abgespielt hatte.
Die alte Wohnung war eine akustische Katastrophe gewesen, Geräusche und Stimmen hatten ununterbrochen durcheinander geredet und man hatte Musik nur noch gehört, um die anderen Geräusche zurückzudrängen. Hier war alles klar voneinander unterschieden. Manchmal wurde die Musik vom Geräusch fallender Kastanien begleitet, man schaute aus dem Fenster und das Haus dahinten schien zu schwanken, weil die Äste des Baumes davor sich bewegten.
Einhundert Kastanien fielen stündlich vom Baum. Aber in echt waren es wohl nur zwanzig. Manchmal gab es Pausen, in denen andere Begleitgeräusche hinzukamen – Autos, bellende Hunde, Kinder von weitem –, manchmal antwortete ein anderer Baum mit entfernteren Fallgeräuschen. Überhaupt hatten wir eine schöne Zeit und hörten gerne Radio beim Abwaschen.
DETLEF KUHLBRODT