: Bruderkampf in Brandenburg
RECHTSEXTREMISMUS Für die DVU geht es am Wochenende um ihre Existenz, für die NPD um Geld
BERLIN taz | Als Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zum Wahlkampfauftritt im märkischen Oranienburg aufschlägt, ist die NPD schon vor Ort. Mit Transparenten, Flugblättern und eigenem Wahlkampfbus platzen die Rechtsextremen in die SPD-Kundgebung. „Mein wichtigstes Wahlziel ist ein nazifreies Parlament“, ruft Platzeck mit Blick auf die Störer in die Menge. Es folgt der größte Applaus für den Landesvater an diesem Nachmittag.
Es ist ein Wahlkampf der Provokationen und tumben Parolen, den NPD und DVU vor der Brandenburger Landtagswahl am Sonntag ausfechten. Beide Parteien haben so gut wie keine Chance auf einen Einzug ins Parlament. Zuletzt kamen DVU und NPD in Umfragen gemeinsam auf 4 Prozent. 85 Prozent der befragten Brandenburger erklärten, mit Sicherheit nicht rechtsextrem zu wählen. Seit 1999 sitzt die Partei im Brandenburger Landtag. 2004 holte sie 6,1 Prozent – und sechs Mandate. Im Parlament gerierten sich die DVUler vor allem als Störenfriede. Mal forderten sie die Abschaffung der Landeszentrale für politische Bildung, mal die des Demokratie-Konzeptes „Tolerantes Brandenburg“. An anderer Stelle lobte die Fraktion das „hohe Maß an Gesundheitsbewusstsein der NSDAP“. Fliegt die DVU nun aus dem Parlament, wäre sie in keinem Landtag mehr vertreten – entsprechend würden der finanziell klammen Partei staatliche Gelder fehlen. „Der Anfang vom Ende der DVU“, prognostiziert Dirk Wilking, Chef des Mobilen Beratungsteams Brandenburg.
Seit 2004 hatte der „Deutschlandpakt“ zwischen DVU und NPD vereinbart, dass sich beide Parteien bei Wahlen keine Konkurrenz machen. Ende Juni brach die NPD das Bündnis und trat ihrerseits in der Mark an. Da sich nun beide Parteien Stimmen aus dem rechtsextremen Lager abspenstig machen, wird keine von ihnen die Fünfprozenthürde überschreiten, sind sich Experten und Verfassungsschutz einig. Zudem wird durch die parallel stattfindende Bundestagswahl eine hohe Wahlbeteiligung erwartet, die Rechtsextremen eher schadet. „NPD und DVU geht es nur noch um ihre Wahlkampfkostenerstattung“, konstatiert der linke Landtagsabgeordnete Andreas Bernig.
Wenn eine Partei bei einer Landtagswahl mehr als ein Prozent der Stimmen bekommt, profitiert sie von der staatlichen Parteienfinanzierung.
Nach außen geben sich DVU und NPD siegesgewiss. Ihren Wahlkampf führen sie mit fast identischen Parolen. „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“, fordert die NPD. „Der Osten wählt deutsch“, plakatiert die DVU. Gemeinsam wird auch gegen Polen gehetzt: Die DVU verteilt „Pawel, bleib zu Hause“-Flugblätter, bei der NPD heißt es „Grenze sichern, Kriminalität stoppen“.
Es ist vor allem die NPD, die, wie in Thüringen und Sachsen, auf Provokationen setzt. Wahlkampfauftritte von SPD und Linkspartei werden gestört. In Joachimsthal forderte die NPD vor dem Haus eines aus der Haft entlassenen Sexualstraftäters „Höchststrafe für Kinderschänder“. Und erst in der vergangenen Woche beschimpfte NPD-Landeschef und Spitzenkandidat Klaus Beier bei einem Fernsehauftritt den Fußballnationalspieler Mesut Özil als „Plastedeutschen“.
In 37 von 44 Wahlkreisen hat die NPD Direktkandidaten aufgestellt. Die DVU kämpft dagegen mit Personalnot. Ende August starb ihr Landesvorsitzender und parlamentarischer Geschäftsführer. Zur Wahl präsentiert sie keinen einzigen Direktkandidaten. Auch eine Kundgebungs-Tour der DVU durch sieben Städte geriet zum Flop: Die Partei fand sich auf verlassenen Marktplätzen wieder – begleitet von stetem Gegenprotest. Bei ihrem Wahlkampfabschluss am Sonntag in Potsdam standen 54 DVUler rund 2.500 Gegendemonstranten gegenüber.
KONRAD LITSCHKO