Britische Fatwa und Berliner Langsamkeit

Einige islamische Verbände in Berlin befürworten die Fatwa, die britische Muslime gegen Selbstmordattentate ausgesprochen haben. Ob die Verbände nachziehen, steht auf einem anderen Blatt. Viele kennen sie noch gar nicht

Die Fatwa gegen Selbstmordanschläge, die das Forum britischer Muslime (BMF) in London am Montag ausgesprochen hat, findet auch unter islamischen Glaubensbrüdern in Berlin Zustimmung. Mit einer Einschränkung: Vielen Vertretern islamischer Organisationen – und es ist in dem Zusammenhang opportun, ausschließlich die männliche Form zu nutzen – ist die Fatwa gar nicht bekannt. „Rufen Sie in einem Monat wieder an“, meinte der Vertreter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Der Verein ist mit dem Präsidium für Religionsangelegenheiten in der Türkei liiert und befürwortet die Trennung von Kirche und Staat.

In der von britischen Muslimen ausgesprochenen Fatwa wird die Gewalt und Zerstörung unschuldigen Lebens verurteilt. Selbstmordattentate seien nicht mit dem Koran vereinbar. „Die Ermordung eines einzigen Menschen kommt der Ermordung der gesamten Menschheit gleich.“ Die Fatwa wird beim kommenden Freitagsgebet in vielen britischen Moscheen verlesen (die taz berichtete).

„Sie werden in Berlin niemanden finden, der sich für Selbstmordattentate ausspricht“, meint Chaban Salih, Vertreter des in Neukölln ansässigen Vereins für kulturelle Interaktion Inssan, der sich neben seiner islamischen Ausrichtung auch für den interreligiösen Dialog zwischen den monotheistischen Religionen einsetzt. Nach dem Attentat in London organisierte der Verein in der britischen Botschaft mit christlichen und jüdischen Vertretern ein Friedensgebet. Sahih findet, dass eine Fatwa ein großer Schritt der Muslime sei. Er meint, dass die islamischen Dachverbände hierzulande nachziehen sollten. Allerdings glaubt er nicht, dass es in nächster Zeit dazu kommen wird, weil es keine einheitlichen Organisationsstrukturen der Muslime in Deutschland gibt. Vor allem in Berlin gäbe es nur Splitterdachverbände. „Sie sprechen im Namen des Islam, aber nicht im Namen der Berliner Muslime.“

Abdurrahim Vural von der islamischen Religionsgemeinschaft Berlin sieht solche Probleme nicht. Der Jurist, dem nachgesagt wird, er trenne Ethik und Recht, denn er verteidigt den Berliner Prediger, der gegen Deutsche gehetzt haben soll, glaubt, dass auch in Deutschland die Fatwa gegen Selbstmordanschläge ausgesprochen wird. Das sei nur der erste Schritt. Wichtiger sei es, die Gläubigen auch von der moralischen Wertung zu überzeugen, die hinter der Fatwa stehe. WALTRAUD SCHWAB