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Archiv-Artikel

Positiv denken

Hamburger Sommerschule DanceKiosk: Der Berliner Choreograf Sven Seeger thematisiert mit seiner Tanz-Performance „Whatever“ im Sprechwerk einen kunstfeindlichen deutschen Alltag

„Whatever forever“ lautet ihr Slogan. „Egal was, alles ist möglich“ – so könnte es frei übersetzt heißen. In diesem Sinne schlagen sich der Berliner Choreograf Sven Seeger und seine fünf Mittänzer durch ein Tanzstück mit Videoeinlagen, zu Gast im Rahmen von DanceKiosk Hamburg im Sprechwerk. „Whatever“ ist auch der Titel des Stücks. Nur dass sich hier bald herausstellt, dass vor dem komplexen Hintergrund angeschnittener Themen künstlerische Präzision und Entschiedenheit gefragt ist.

Da ist nämlich nichts mehr egal. Individualität und künstlerischer Freigeist im Schwitzkasten von Medienallmacht und Bürokratie hat der Choreograf sich vorgenommen zu bearbeiten. Positiv denken, trotz kunstfeindlich bürokratischer Gängelung im deutschen Alltagsfrust, heißt hier die Devise. Zumindest muss man eine Haltung entwickeln. Und wenn es eine blind aktivistische Egal-Was-Haltung ist, die Seeger sorgsam kultiviert und mit trashigem Berlinkolorit aufbereitet.

Im eingespielten Video sehen wir eingangs die Protagonisten des Stücks, wie sie ein bunt mit Herzchen verziertes Transparent mit ihrem Wahlspruch durch Berlins Straßen tragen. Um im allgegenwärtigen Medienwahn ein Stück Aufmerksamkeit zu ergattern, filmt man sich halt selbst. Mit der Kamera dicht dran, damit niemand sieht, dass ansonsten keiner guckt.

Szenenwechsel. Störgeräusche zerreißen die Luft als die sechs live die Hamburger Bühne betreten. In zwei Reihen stehen sie sich gegenüber, warten gespannt bis einer schreit – als Aufforderung, in wilde Tanzwut zu verfallen, die doch nur auf der Stelle tritt. Dass man aus Berlin kommt, dort gestrandet ist aus deutscher Provinz, wird auch weiterhin in ausgiebiger Selbstbespiegelung thematisiert. Man instruiert sich gegenseitig. Keiner erzählt ungefragt. Nur nach Aufforderung wird sich bewegt.

Ekstatisch zuckende Soloeinlagen wechseln mit therapeutisch motivierten Gruppentänzen mit Händchenhalten. Ein clever konzipierter Ansatz, der aber nicht aufgeht, weil hier letztlich leider niemand wirklich etwas zu erzählen hat, weder verbal noch tänzerisch. Zu bemüht, zu beliebig zelebrieren die Performer ihren absichtsvoll naiven Dilettantismus in ihrer tatsächlich begrenzten Laienhaftigkeit. Die Ironie bleibt somit auf der Strecke.

Im Rahmen der Sommerschule DanceKiosk, eingebettet in Workshops, ist die Vorstellung jedoch ein Selbstgänger. Die Hamburger Choreografin Angela Guerreiro, die das Projekt in diesem Jahr erstmalig ins Leben gerufen hat, will mit der begleitenden Gastspielreihe Kiosk Shotcuts unterschiedliche Richtungen im ganz jungen zeitgenössischen Tanz präsentieren. Das Publikum ließ sich denn auch nicht lange bitten, beim kollektiven Ausschütteln zu aufgedrehten Technorhythmen die Bühne zu stürmen. Marga Wolff