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Drillinge dürfen doch einreisen

MIGRATION In Istanbul geborene Babys einer Hamburger Familie bekommen bislang verweigerte Visa

Rechenschaft

Den Fall der Roma-Familie Aliji behandelt heute der Innenausschuss der Bürgerschaft. Innensenator Neumann (SPD) wird aussagen.

■ Vorfall: Bei der versuchten Abschiebung am Freitag soll eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde der Mutter mit der Wegnahme ihres Babys gedroht haben, wenn sie nicht den Aufenthaltsort der vier älteren Geschwister verrät.

■ Gegenrede: Die Mitarbeiterin will nur das Baby aufgefangen haben, als die Mutter einen Schwächeanfall erlitten habe.

■ Untersuchung: Das Dezernat Interne Ermittlungen ermittelt.

Sie lebt seit 16 Jahren in Hamburg und hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis – doch die sieben Monate alten Drillinge der türkischen Familie Bayanbas sollten nicht nach Deutschland einreisen und bei ihren Eltern leben dürfen. Diesen Beschluss korrigierte jetzt die Ausländerbehörde – aber erst, nachdem der Fall am Dienstag Schlagzeilen machte. „Dann hat es allerdings keine 24 Stunden gedauert“, sagt Arzu Erdogan, die Anwältin der Familie.

Die Mutter hatte die Drillinge in Istanbul zur Welt gebracht, ein Fehler, wie sich herausstellte. Die Ende Mai beantragten Visa für die Säuglinge lehnte die Ausländerbehörde ab: Es sei nicht gesichert, dass Vater Abdulvahap Bayanbas dauerhaft für den Familienunterhalt aufkommen könne.

Das Kuriose daran: Bayanbas ist durchaus vermögend. Der geschäftsführende Alleingesellschafter des „Aladin-Center“ an der Reeperbahn verdient rund 3.500 Euro netto, erwirtschaftet eine erhebliche Rendite und ist an mehreren Immobilien beteiligt, zu denen auch das Aladin-Center-Gebäude gehört. Anwältin Erdogan unterstreicht, „dass die Einkommens- und Besitzverhältnisse der Familie der Behörde von vornherein vollständig offengelegt wurden“. Ihr Verdacht: „Hier wurden die Akten offensichtlich nicht gelesen.“

Behördensprecher Norbert Smekal hingegen will nichts wissen von irgendwelchen nicht zur Kenntnis genommenen Fakten. Er verteidigt das bisherige Vorgehen seines Hauses: Abdulvahap Bayanbas sei erst seit Februar offiziell Geschäftsführer seiner eigenen Firma, habe somit seitdem „ein geändertes Arbeitsverhältnis“. Nach den ausländerrechtlichen Vorschriften müsse er aber seit mindestens einem Jahr die selbe Arbeit tun, um eine langfristig gesicherte Einkommensperspektive belegen zu können.

Die Medienberichte aber bewirkten offenbar einen rapiden Gesinnungswandel der Behörde. Man werde nun „die Bestimmungen großzügiger auslegen“ und dem „Nachzug zustimmen“, versichert Smekal: „Wir haben unsere Bedenken zurückgestellt.“ Schließlich müsse die Behörde „anerkennen, dass die Kinder automatisch Deutsche gewesen wären, wenn sie hier und nicht in Istanbul geboren worden wären“.

Für Erdogan aber ist diese Argumentation „infam und peinlich“. Die Ausländerbehörde sei offensichtlich „nicht in der Lage, Fehler zuzugeben“. Stattdessen inszeniere sie sich nun „mit gönnerhafter Attitüde“ als Instanz, die die geltenden Vorschriften besonders liberal auslege. MAC

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