: Verbraucher sollen mehr verbrauchen
Die von der Union geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnen die deutschen Verbraucherschützer ab. Stattdessen müsse gelten: Was den Verbraucher schützt, bringt die Wirtschaft in Schwung. Milliardenschäden durch schlechte Versicherungen
VON HANNES KOCH
Mit deutlicher Kritik, aber auch Unterstützung für die rot-grüne Bundesregierung haben die Verbraucherverbände gestern in den beginnenden Wahlkampf eingegriffen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, ein zentrales Wahlversprechen der Union, lehnt Edda Müller ab. Die Vorsitzende des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) bezeichnete die geplante Anhebung der Verbrauchsteuer als „rein angebotsorientierte Politik“, deren Erfolglosigkeit sich in den vergangenen Jahren bereits gezeigt habe. Die Union plant, die Mehrwertsteuer von heute 16 auf 18 Prozent anzuheben, um mit diesem Geld die Senkung der Lohnnebenkosten zu finanzieren. Diese Maßnahme soll die Unternehmen entlasten.
Notwendig sei im Gegenteil eine Politik, so Müller, die die Nachfrage der Konsumenten unterstütze. Dazu zählt die Chefin der Verbraucherzentralen auch alle Maßnahmen, die die Rechte der Verbraucher stärken und ihren Schutz verbessern. Verbraucherschutz ist in diesem Sinne gute Konjunkturpolitik.
Den Parteien, die für den Bundestag kandidieren, hat der Bundesverband 33 Wahlprüfsteine zugeschickt und erwartet nun Antwort bis Anfang August. Dann wollen die Verbraucherschützer an jedem Arbeitstag bis zur Wahl am 18. September die Position der Parteien zu einer Verbraucherforderung veröffentlichen und kommentieren. Dem Bundesverband gehören 37 Verbraucherverbände an, unter anderen auch die regionalen Verbraucherzentralen.
Ganz oben auf der Liste der Verbraucherschützer stehen Forderungen, die zu einer Belebung der Nachfrage beitragen sollen. Laut Edda Müller müsste dafür beispielsweise das Versicherungsrecht reformiert werden – ein Vorhaben, das Rot-Grün zwar versprochen, aber nicht umgesetzt habe.
Schätzungsweise 2 Milliarden Euro pro Jahr verlören die Verbraucher allein dadurch, dass sie Kapitallebensversicherungen mit zu hohen Prämien abschlössen, die auf die Dauer nicht tragbar seien. Bei den vielfach üblichen vorzeitigen Kündigungen würden die Versicherten dann den Leistungsanspruch verlieren, hätten aber die Verwaltungskosten bereits in voller Höhe an die Versicherungskonzerne gezahlt. Der Bundesverband bemängelt, dass Versicherungsvertreter ihren Kunden häufig die teuren Lebensversicherungen verkauften, um die hohe Verkäuferprovision zu erhalten. Die billigeren, aber wichtigeren Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsversicherungen würden vielen Bundesbürgern dagegen fehlen. Als Gegenmaßnahme schlagen die Verbraucherschützer vor, die Versicherungsvertreter für Folgeschäden aus ihrer Beratungstätigkeit haftbar zu machen.
Ähnlich schwierig sei die Lage im Baurecht, erklärte Müller. Baubeschreibungen und Leistungskataloge von Firmen seien für die privaten Bauherren oft ein Gräuel. Wegen der unbestimmten Rechtslage seien die Versprechungen häufig nicht einklagbar.
Trotz dieser auch an Rot-Grün gerichteten Beschwerden hat die jetzige Regierung bei Müller einen Stein im Brett: Schließlich hat sie erstmals ein Bundesministerium für Verbraucherschutz installiert – eine Institution, die unbedingt erhalten bleiben müsse, egal unter welcher Regierung.