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Archiv-Artikel

„Kompliziert und gleichzeitig sehr dumm“

Julia Baldin über die versuchte Rückgabe der Kunsthallen-Bilder, die ihr Mann 1945 aus dem Wasser gefischt hatte

Bremen/Moskau taz ■ Schlechte Nachrichten aus Russland: Selbst wenn die „Baldin-Sammlung“ an die Kunsthalle zurück gegeben würde, müsste ein Teil in der Petersburger „Eremitage“ bleiben – erklärt jetzt deren Direktor Boris Piotrowski. Für seinen Bremer Amtskollegen Wulf Herzogenrath bedeutet das einen weiteren Verhandlungsrückschlag: „Mein Vorgänger ist darüber schon gestorben.“ Wie auch Viktor Baldin, der die Sammlung 1945 aus einem gefluteten Schlosskeller gerettet hatte. 1996 übernahm seine Witwe die „Mission“, für deren Rückgabe einzutreten. Julia Baldin (80) spricht Deutsch, weil sie ab 1942 drei Jahre Zwangsarbeit in einem Dresdner Lager leisten musste.

taz: In Russland wird häufig gesagt, dass ehemals deutsche Kunstschätze im Land bleiben sollen – als Wiedergutmachung für Zerstörungen durch die Wehrmacht. Wie sehen Sie das?

Julia Baldin: Das ist eine schwere Frage. Die Deutschen haben bei uns viel Schlimmes gemacht. Trotzdem ist klar, dass die Zeichnungen nach Bremen müssen. Sie liegen seit 60 Jahren im Safe, niemand kann sie sehen – das ist absurd.

Es gibt heftige Auseinandersetzungen wegen der Rückgabe. Was ist der Hintergrund dieses Hin und Hers?

Wenn der eine Ja sagt, muss der andere Nein sagen. Das ist kompliziert und gleichzeitig sehr dumm. Denn die Bilder gehören nicht uns. Ich habe das immer laut gesagt.

Werden Sie in Moskau deswegen angefeindet?

Nein, zumindest nicht direkt. Als „Feind der Heimat“ wurde ich nur bezeichnet, als ich aus Deutschland zurückkam. Alle, die während des Krieges dort waren, galten als Verräter.

Nach 1945 lagen die Bilder erst unter Ihrem Schlafzimmerbett, dann im Architekturmuseum, wo ihr Mann Direktor war. Was hat er mit ihnen gemacht?

Er hat sich immer geweigert, einen russischen Stempel anzubringen. Aber er durfte sie nicht zurückgeben, obwohl er das unbedingt wollte – das war für ihn das Wichtigste.

Hat er bereut, die Bilder hergebracht zu haben?

Es gab ja keine andere Möglichkeit, sonst wären sie zerstört worden. Als er bei seinen Vorgesetzten um Unterstützung bat, wurde das abgelehnt. Also hat er das ganz alleine gemacht.

Wie geht es jetzt weiter?

Erstmal müssen sich die Veteranen wieder beruhigen, die das Ende des Zweiten Weltkrieges feiern – dann kann man weitersehen. Interview: Henning Bleyl