berliner szenen: Die Maske lag mir am Herzen
Am Freitag traf ich mich mit einer Freundin in einem Weinlokal auf der Roten Insel in Schöneberg. Wir hatten was zu feiern, wir bestellten Wein, viel Wein. Meine Maske zog ich nur an, wenn ich auf die Toilette ging. Gegen Mitternacht ging’s nach Hause. Am nächsten Morgen wachte ich mit Kater auf, aber ohne Maske.
Das merkte ich, als ich einkaufen gehen wollte und sie nirgendwo finden konnte. Und mit Schrecken stellte ich fest: Diese schwarze Stoffmaske, die mich die letzten Monate zwangsläufig begleitet hatte, lag mir inzwischen am Herzen. Was hatte Corona bloß aus mir gemacht, dass ich nun einen Mund-Nasen-Schutz vermisste?
Ich wählte die Nummer des Weinlokals. Schlechter Empfang, ich verstand fast nichts. Also lief ich zur Roten Insel. Dort angekommen, klopfte ich an die Tür. Offen war das Weinlokal noch nicht, aber den Typen, der schon gestern Kellner war, erkannte ich durchs Glas. Als er mich sah, musste er grinsen. Ja, ja, ich hab gestern zu viel getrunken, das sieht man mir jetzt an, dachte ich und grinste zurück. Ich sagte ihm, dass ich meine schwarze Stoffmaske suchen würde, die müsste hier sein, vielleicht unter dem Tisch, vielleicht auf dem Klo, denn irgendwo dort hätte ich sie zum letzten Mal benutzt. Der Kellner musste noch mehr grinsen und versprach, auch auf der Toilette nach der Maske zu suchen. Doch da war sie nicht, nirgends. Die Maske war weg.
Enttäuscht lief ich zur Hauptstraße, kaufte mir in der Apotheke eine medizinische Maske und ging dann einkaufen. Als ich zu Hause ankam und in die Küche ging, sah ich etwas Schwarzes am Griff des gekippten Fensters baumeln. Ich traute meinen Augen nicht: Da war tatsächlich meine Maske, die ich wohl nachts zum Auslüften an den Griff gehängt hatte. Ich fasste mir an den Kopf. Er tat jetzt noch mehr weh.
Eva Müller-Foell
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