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Lieber Gérard Depardieu,

die Rolle des Clochards Boudu, der sich im gleichnamigen Film von Gérard Jugnot im gediegenen Haushalt eines Galeristenehepaares einquartiert, wurde dir offenbar auf den Leib geschrieben. Hemmungslos darfst du deine Feistigkeit ausleben. Das gute Essen kommentierst du mit Rülpsern, die aus dem tiefsten Innern deiner Seele aufsteigen. Den exquisiten Rotwein entsorgst du mit großen Schlucken. Beim Fernsehen verteilst du deine gewaltigen Massen quer über das ganze Sofa, sodass den Hausherren nur noch ein schmaler Platz am Rande bleibt.

Nun bin ich schon lange ein Fan deiner normannischen Kleiderschrankstatur. Schon immer gefiel mir die immer etwas wurschtige Sinnlichkeit, mit der du auch den letzten Winkel deines massiven Körpers ausfüllst. Man denke nur an die halbwüchsige Isabelle Huppert in Bertrand Bliers schlüpfrigem Roadmovie „Die Ausgebufften“. Vor fast dreißig Jahren hat sie sich von dir und deinem Kumpel allzu gerne entjungfern lassen, weil du im knallengen schwarzen Slip so unwiderstehlich sexy aussahst. Natürlich kamen im Laufe der Jahre noch einige Speckgürtel dazu, die du jedoch stets mit Würde zu tragen wusstest. Wenn du in Maurice Pialats großartigem Beziehungsdrama „Le Garcu“ am Schwimmbecken liegst und deine Frau herausfordernd anschaust, dann spürt man, dass du auch jedes Kilo zu viel an dir magst.

Und jetzt? Was ist nur geschehen? In deinem neuen Film „Boudu – Ein liebenswerter Schnorrer“ fehlt deinem Körper diese selbstverständliche Laszivität. Ganz zu schweigen von der Natürlichkeit, mit der du deine Pfunde einst behände durch die Gegend manövriertest. Stattdessen wird man mit einem riesigen, runden Bauch konfrontiert, der für nichts mehr steht. Der kein Zeichen der Freude, der Sinnlichkeit oder auch nur des Exzesses ist.

Dabei hat Boudu in dieser albernen Komödie immerhin die Funktion, einen freudlosen, frustrierten Haushalt wieder auf Vordermann zu bringen. Zugegeben, nicht gerade die originellste Idee. Der Penner von der Straße muss ein Ehepaar in der Krise wieder an die wahren Werte des Lebens erinnern. Dennoch bietet der Film dir gute Vorlagen, die du ganz wunderbar mit deiner offensiven Vulgarität hättest ausfüllen können. Etwa während dieser einen, peinlichen Tanzeinlage, bei der die depressive Ehefrau wieder aufblühen darf. Und für die darauf folgenden rüpelhaften Sexszenen kann man sich eigentlich nur schämen. Wenn es in Sachen Schwerfälligkeit so mit dir weitergeht, dann wird man sich bald nach einem anderen Obelix-Darsteller umsehen müssen. Dessen geschwinde Schritte, mit denen er auf die Römer losstürmt, bekommst du jedenfalls nicht mehr hin. Vielleicht reicht es gerade noch für den Part des Majestix. Ohnehin erinnert Boudu stark an den Gallier-Häuptling, wenn er stöhnend den gigantischen Bauch festhält und über Schmerzen jammert. In „Asterix und der Avernerschild“ hat der Druide dem Chef eine Kur empfohlen, als quasi letzte Rettung. Also, Gérard, auf nach Vichy.

Sehr herzlich

ANKE LEWEKE

„Boudu“ von Gérard Jugnot, Frankreich 2004, Farbe, 104 Minuten. Mit Gérard Depardieu, Catherine Frot, Gérard Jugnot

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