: Magier des Schreis
Der große Ennio Morricone ist von uns gegangen
O, Ennio Morricone, Grande Compositore, Gran Vegliardo e Maestro di Musica, drei Mal hatten wir das unendliche Glück, Ihre lebendige Kunst im Konzert zu bewundern. Wie Sie zarter, alter Herr die gigantische Bühne erklommen, wie Sie huldvoll dem Publikum zuwinkten und dem italienischen Botschafter zunickten, wie Sie mit dem Riesenorchester und -chor im Rücken sich an das Geländer klammerten, dass einem bange wurde um den Neunzigjährigen, der nun sehr entschlossen den Taktstock ergriff und uns sogleich einen Schauer über den Rücken jagte …
Im Film einst pfiff Allessandro Allesandroni Ihre helle Melodie, der Sie ein spanisches Gitarrenriff hinterlegt hatten. Schüsse fallen. Der Chor erhebt sich und flüstert fast: „Win the fight!“ Und vor unseren inneren Augen erscheint ein Mann ohne Namen. Auf einem Muli. Schwarzer Hut. Breite Krempe. Zigarillo im Mundwinkel. Und der Poncho! Der Poncho! „Für eine Handvoll Dollar“. Clint Eastwood reitet ein in die Stadt und in die Welt des Westerns.
Es ist 1965 – das Zeitalter der Coolness hat begonnen. Mit Ihnen und Ihren ungewöhnlichen Werken. Die den Klang der Revolution hinaustrugen. Die manchmal die Grenze zum Kitsch hart schrammten und wieder eingefangen wurden von den rasselnden, quietschenden, kreischenden Geräuschen aus einem unbekannten Abgrund, aus dem die atonalen Cojotenschreie aufstiegen und weithin widerhallten in die Musikwelt. Die Sie die Verbindung von eingängigen Melodien und Dissonanzen lehrten : die schräge Orgel und die zarte Triangel, die vielstimmige Volksmusik und die schwelgerische Hochoper, die treibenden Trommeln und klirrenden Trompeten zu den schmutzigen Leinwandhelden im galoppierenden Rhythmus auf der Suche nach Gold oder Rache oder beidem.
O, Ennio Morricone, Magier der ergreifenden Klangbilder, mögen Sie nun auf Wolke sieben im Himmel die Engel tirilieren lassen. Wir Guten, Bösen und Hässlichen auf Erden werden mit Tränen in den Augen mitsummen. (mir)
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