: Kirche der Angst neben dem Dom
Zum katholischen Weltjugendtag baut Regisseur Christoph Schlingensief dem Papst auf dem Dach des Kölner Museum Ludwig eine Kapelle. Drinnen wird live vom Dom übertragen. Benedikt XIV. will kommen
AUS KÖLNPETER ORTMANN
Das Mops-Arschloch über der Eingangstür wird Papst Benedikt XIV. sicher erfreuen, wenn er mal Pause macht vom Kirchentagstress – in Christoph Schlingensiefs Holzkapelle. Der ehemalige Messdiener und überzeugte Kirchensteuerzahler Schlingensief hat es zum Kirchenbesitzer gebracht, eine Religionsgemeinschaft gegründet und kann jetzt einen Hasen doppelt so schnell wie die Natur verwesen lassen.
„In Köln laden wir seine Church of Fear wieder mit Energie auf“, sagt Kasper König, Chef im Museum Ludwig in Köln. Parallel zum 20. Weltjugendtag im August 2005 ist die kleine weiße Holzkirche auf der südlichen Dachterrasse aufgebaut, hat erste Wolkenbrüche und Blitze gut überstanden und wirbt für die COF, eine internationale Vereinigung aller Terrorgeschädigten mit über 21.000 Mitgliedern auf sechs Kontinenten - nach drei Jahren. „Damit wächst sie schneller als die katholische Kirche,“ lacht der Provokateur, der keiner mehr sein will. „Erwartet Euch nicht zu viel vom Weltuntergang“ ist das Motto in Köln, Angst haben dürfen die Ideologie, die hinter der Gemeinde-Aktion steht.
Zwei Stufen führen ins Gebäude, die Schritte werden von Parzival Klängen untermalt. Das Video zu Schlingensiefs radikaler Wagner-Inszenierung hängt bereits außen neben der Eingangstür. Innen steht nur ein verhängter Beichtstuhl mit Videoequipment. Wer sich bückt und durch schmale Schlitze in den Stuhl schaut, sieht live das Geschehen rund um den Kölner Dom. „Darüber werden bald die Awacs kreisen, um den Papst zu beschützen“, sagt der Regisseur („Ich komm ja vom Film“), der schon wieder theatralische Bilder im Kopf hat. Auf der Rückseite des mit „Habt Angst“ und „Look here“-Sprüchen beklebten Beichtkastens verwest im Video ein Hase. Hommage an Josef Beuys und mitfinanziert von Alexander Kluge. Der hatte den Biologen ausfindig gemacht, der die Zeit beim Zersetzen in Echtzeit locker halbierte.
„Schau`n Sie mal die Maden“, erklärt Schlingensief gerade einer älteren, kunstinteressierten Dame den Verwesungsprozess. Da entstehe wieder neues Leben. Man brauche also doch keine Angst zu haben, wenn man sich zu ihr bekennen wolle. Der Herr über 900 Gemeinden zeigt auf die Aufnahmeformulare, im Raum erschallt der Ruf des Muezzin. „Ich bin auch Mohamedaner“, sagt Schlingensief. Mohamed, Jesus Christus, da gibt es keine Unterschiede. „Wir wollen das schlechte Gewissen der katholischen Kirche sein.“
Un dann erzählt er von Nepal. Dorthin wurde eine kleinere Church of Fear transportiert. Er schwärmt von der Götterwelt auf dem Dach der Welt.
Die hölzerne Kirche der Angst wurde erstmals 2003 zur 50. Biennale in Venedig aufgebaut. Sieben freiwillige Pfahlsitzer saßen dort tagelang in der Hitze, warben für die Aktion, zogen Menschen an. In Frankfurt kamen in einer Woche rund 100.000 Menschen, auch dort saßen Mutige auf den langen Pfählen. Die Aktion wurde live in den Beichtstuhl übertragen. „Daran bin ich in Köln gar nicht so interessiert“, sagt Schlingensief. Hier stünde die Kirche in einem Museum, korrespondiere auf dem Dach mit den umliegenden Bauten. So oft sei er ja auch nicht im Museum vertreten.
Derweil propagieren die Gemeindemitglieder ihr Recht auf Terror. „Wir glauben an nichts mehr“, behaupten sie. Und so sagen sie dem Terrormonopol der Politik den Kampf an, wollen die Angst produzierende Medienmaschinerie sabotieren. Kein Anführer, kein Gott könne sie noch leiten. Das ist keine positive Botschaft, wenn Papst Benedikt XIV. tatsächlich während des Weltjugendtags 2005 auf der Terrasse des Ludwig Museums erscheinen sollte. Nicht das einer auch noch ein Tuch über das Mops-Arschloch hängt.
Church of FearMuseum Ludwig, KölnBis 25. SeptemberInfos: 0221-22123491